Rechtswahlklausel „Es gilt deutsches Recht“ unwirksam?

OLG Oldenburg, Beschluss v. 23.09.2014, Az. 6 U 113/14: Unwirksamkeit von Klauseln zur Rechtswahl nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB.

Klauseln zur Rechtswahl gehören in Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zur gängigen Praxis. Die Verwendung solcher Klauseln in AGB kann jedoch abmahnfähig sein, wie eine Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Betreiber eines Online-Shops, dessen Angebote sich auch an Verbraucher im Ausland richteten, in seinen AGB auf der Plattform Amazon folgende Rechtswahlklauseln verwendete:

„Diese Vertragsbedingungen unterliegen deutschem Recht.“

„Erfüllungsort: es gilt deutsches Recht.“

Auf Beschwerden von Mitbewerbern hin beanstandete die Wettbewerbszentrale diese Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung von Verbrauchern als unwirksam nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

Zur Entscheidung

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Oldenburg erklärten die streitgegenständliche Rechtswahlklausel(n) wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB für unwirksam. Nach Ansicht der Richter ist hierfür wesentlich, dass sich Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt bzw. Wohnsitz im Ausland nach Art. 6 Absatz 2 Satz 2 der europäischen Rom I-Verordnung ungeachtet der Rechtswahl stets auch auf das zwingende Verbraucherschutzrecht des Staates berufen können, in dem sie sich für gewöhnlich aufhalten. Da durch die Klausel(n) jedoch der Eindruck erweckt werde, deutsches Recht sei stets anwendbar, seien die AGB insoweit nicht ausreichend klar und verständlich.

Hintergrund

Die sogenannte Rom I-Verordnung ist seit 2009 in Kraft und regelt das im Bereich der EU für Verträge anwendbare Recht. Dabei gilt der Grundsatz, dass Verträge in erster Linie dem von den Parteien gewählten Recht unterliegen. Wenn die Parteien hierzu keine Regelung getroffen haben, richtet sich das anwendbare Recht nach den Bestimmungen der Verordnung. Soweit es um Verbraucherverträge geht, ist hierbei zu beachten, dass sich Verbraucher zwingend auf das Recht des Staates berufen können, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Bewertung und Fazit

Die Entscheidung OLG Oldenburg überrascht. Selbst nach der Rom I-Verordnung sind zur Bestimmung des auf Verträge anwendbaren Rechts in erster Linie Rechtswahlklauseln maßgeblich. Insoweit kann man dem Onlineshop-Betreiber im vorliegenden Sachverhalt nicht vorwerfen, dass mit den verwendeten Klauseln von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen abgewichen wurde. Das Gericht ging jedoch davon aus, dass die gewählte Formulierung zumindest nicht klar und verständlich genug sei. Auch dies kann in der Tat eine unangemessene Benachteiligung nach AGB-Recht (§ 307 Abs. 1 S.2 BGB) darstellen.

Wenn man vorliegenden Fall zu Ende denkt, müsste man also zukünftig in AGB gegenüber Verbrauchern neben der Rechtswahlklausel darauf hinweisen, dass sich Verbraucher aus dem Ausland unabhängig von der konkreten Rechtswahl stets auch auf das zwingende Verbraucherschutzvorschriften des Staates berufen können, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ob mit einer solchen Regelung allerdings den Verbrauchern geholfen ist, mag bezweifelt werden, da Verbraucher aus dem Ausland damit letztlich immer noch keine Klarheit darüber haben, welche zwingenden Verbraucherschutzvorschriften neben dem deutschen Recht nun anwendbar sind.

Das LG Hamburg hat in 2011 übrigens eine genau gegenteilige Entscheidung gefällt (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 06.01.2011 – 327 O 779/10). Die Richter führten damals aus, mit der gegenständlichen Rechtswahlklausel werde nur von dem entsprechenden Recht zur Rechtswahl Gebrauch gemacht. Eine Aufzählung möglicher – zusätzlich neben dem gewählten Vertragsstatut – anwendbarer ausländischer zwingender Bestimmungen sei von dem Unternehmer weder zu erwarten, noch zumutbar.

Aufgrund der aufgezeigten unklaren Rechtslage sollten Online-Händler dennoch gewarnt sein und das bestehende Abmahnrisiko nicht unterschätzen. Unternehmern ist daher eine Überprüfung der AGB zu empfehlen.

Mythen rund um das Newsletter-Marketing

Obwohl für viele nach der Double-Opt-in-Entscheidung des BGH (NJW 2011, 2657) endgültig festzustehen schien, unter welchen Voraussetzungen rechtskonform per E-Mail-Newsletter geworben werden darf, halten sich in der Praxis hartnäckige Mythen, die juristisch gefährlich und wirtschaftlich nachteilhaft sein können. Die Populärsten im Überblick.

I. Du musst stets ein Double Opt-in durchführen!

Die Zulässigkeit von E-Mail-Werbung richtet sich vor allem nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG, der Werbung unter Verwendung elektronischer Post an die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten knüpft. Anderenfalls handelt es sich um eine unzumutbare Belästigung des Kunden. Bereits vor drei Jahren hat der BGH klargestellt, dass Unternehmen nur durch das Double-Opt-in-Verfahren eine solche Einwilligung zum Newsletter-Empfang nachweisen können – eine gesetzliche Plicht hierzu, wie von vielen Unternehmen angenommen wird, besteht jedoch nicht. Das Double-Opt-In Verfahren dient nämlich nicht zur Einwilligungseinholung, sondern lediglich dem Nachweis, das der Inhaber der E-Mailadresse die zuvor erteilte Einwilligung tatsächlich erteilen wollte.

Überblick über das Double-Opt-In-Verfahren:

  • Der Kunde muss sich zunächst mit seiner E-Mail-Adresse in die Verteilerliste des Newsletter-Anbieters eintragen.
  • Daraufhin verschickt der Anbieter an die eingegebene E-Mail-Adresse die so genannte Bestätigungsmail, die in neutraler Gestaltung den Empfänger informiert, dass seine Adresse in den Verteiler aufgenommen wurde und ihn auffordert, eine Bestätigung des Eintrages (bspw. durch anklicken eines in der E-Mail enthaltenen Links) vorzunehmen. Zudem sollte sie den Hinweis enthalten, dass ein Nichtreagieren des Kunden auf die E-Mail den Austrag aus der Verteilerliste zur Folge hat. Wichtig ist, das diese Bestätigungs-Mail frei von Werbung ist!
  • Hat der Anbieter auch die zweite Bestätigung erhalten, hat er zu Beweiszwecken jede einzelne Einverständniserklärung abzuspeichern und sicherzustellen, dass er sie jederzeit ausdrucken kann.

Das bedeutet aber nicht, dass nun vorschnell an den gesamten Kundenbestand „Bestätigungsmails“ versendet werden sollten. Denn § 7 UWG lässt in Absatz 3 E-Mail-Werbung ausnahmsweise auch ohne eine ausdrückliche Einwilligung zu, wenn

  1. die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit einem vorherigen Verkauf bzw. einer vorherigen Dienstleistungserbringung vom Kunden erhalten wurde,
  2. Werbung für eigene ähnliche Waren und Dienstleistungen betrieben werden soll,
  3. der Kunde darauf hingewiesen wurde, dem E-Mail-Empfang jederzeit widersprechen zu können und
  4. er von dieser Widerspruchsmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat

Wann ist die Adresse „im Zusammenhang“ mit einem vorherigen Verkauf bzw. einer vorherigen Dienstleistungserbringung generiert worden?

Der Zusammenhang erfordert erstens, dass die E-Mail-Adresse vom Kunden selbst stammt und nicht etwa von Adresshändlern oder anderen Unternehmen eingekauft wurde. Zweitens muss es zuvor tatsächlich zu einem Vertragsabschluss zwischen dem Kunden und dem werbenden Unternehmen gekommen und dabei die Adresse übermittelt worden sein. Es genügen weder bloße Vertragsverhandlungen oder Interessensbekundungen noch der Erhalt im Kontext einer Vertragsauflösung (Widerruf, Kündigung etc.). Damit ist also das so genannte Nachbearbeiten eines Kunden nicht mehr von der Erlaubnis gedeckt. Anders ist dies jedoch, wenn sich der Kunde während einer Vertragsdurchführung mittels E-Mail an den Werbenden wendet, beispielsweise bei der Inanspruchnahme einer Garantie oder von Gewährleistungsrechten. Schließlich darf drittens keine größere Zeitspanne zwischen dem ursprünglichen Vertragsschluss und dem Erhalt der Adresse liegen. Zwar ist der Rechtsprechung keine feste Grenze zu entnehmen, allerdings sind dem LG Berlin zufolge jedenfalls zwei Jahre zu lange (CR 2004, 941).

Wann betreibe ich Werbung für eigene und ähnliche Angebote?

Werbung für seine eigenen Waren und Dienstleistungen betreibt nur derjenige, der die Adressen nicht an Dritte weitergibt oder gar für sie Werbung schaltet. Dritte sind auch Unternehmen des eigenen Konzerns.

Problematischer ist die Frage nach der Ähnlichkeit der Angebote. Entscheidend ist, ob die Waren oder Dienstleistungen dem gleichen oder jedenfalls ähnlichen Bedarf oder Verwendungszweck des Kunden entsprechen. Zu weitgehend ist es jedenfalls, den Kauf von Zubehör für eine Silvesterparty als Anlass für Werbung für ein Geduldsspiel zu nehmen, auch wenn die Waren jeweils Unterhaltungszwecken dienen (KG Beschl. v. 18.3.2011, Az. 5 W 59/11). Umstritten und von der Rechtsprechung bislang noch nicht geklärt ist, ob darüber hinaus auch Ergänzungen und Zubehör von dem Ausnahmetatbestand erfasst sind und wo hierfür die Grenzen zu ziehen sind. Vorgeschlagen wird etwa, hierunter auch das Angebot von auf den Ursprungsvertrag bezogenen Wartungs- und Reparaturdienstleistungen zu fassen (Fezer/Mankowski, UWG, 2. Aufl. 2010, § 7 Rn. 264).

Wie ist der Hinweis auf die Widerspruchsmöglichkeit zu formulieren?

Aufschluss hierüber gibt § 7 Abs. 3 Nr. 4 UWG. Danach ist der Kunde inhaltlich darüber aufzuklären, dass er der Verwendung jederzeit widersprechen kann, ohne dass hierfür andere als die Übermittlungskosten nach den Basistarifen entstehen (ergo eine zwingende Kontaktierung über kostenpflichtige Hotlines ausgeschlossen ist). Hierfür ist ihm bei jedem einzelnen Newsletter-Versand in klarer und deutlicher Form, etwa durch Fettdruck, eine Kontaktadresse zu nennen, an die er jederzeit seinen Widerspruch richten kann.

II. Du darfst niemals Opt-out-Klauseln verwenden!

Fällt die Werbung nicht unter den Ausnahmetatbestand in § 7 Abs. 3 UWG, sollte aus Beweisgründen und aus damit aus Gründen der Rechtssicherheit für die Einholung der Einwilligung das dargestellte Double-Opt-in-Verfahren durchgeführt werden. Auch wenn das OLG München im vergangenen Jahr mit der Einstufung der Bestätigungsmail als „Werbung“ Zweifel am Bestand des Double-Opt-in gesät hat (GRUR-RR 2013, 226), haben andere Gerichte zwischenzeitlich die BGH-Lösung durch gegenteilige Entscheidungen gestützt und wieder Rechtssicherheit hergestellt (OLG Frankfurt MMR 2014, 115; OLG Celle MMR 2014, 611).

Übersehen wird zuweilen, dass neben der wettbewerbsrechtlichen Einwilligung auch eine datenschutzrechtliche einzuholen ist. Diese darf allerdings als Opt-out-Klausel formuliert und auch innerhalb der AGB untergebracht werden (BGH NJW 2008, 3055 – Payback), solange sie hier gem. § 28 Abs. 3a S. 2 BDSG deutlich hervorgehoben platziert wird. Wichtig ist darüber hinaus, dass der Kunde über den Zweck der Datenermittlung informiert und die Inanspruchnahme grundlegender vertraglicher Leistungen – vor allem der Vertragsschluss als solcher – nicht von der Erteilung der Einwilligung abhängig gemacht wird (§ 4a Abs. 1 S. 1 BDSG).

III. Hauptsache, ich habe die Bestätigung!

Die Verifizierung der Einwilligung nach Erhalt der Bestätigungsmail ist nichts wert, wenn nicht die Anforderungen an die Wirksamkeit der Einwilligungsentscheidung berücksichtigt werden. Nach Art. 2 h) der Datenschutzrichtlinie 95/46/EG muss die Willensbekundung ohne Zwang, für den konkreten Fall und in Kenntnis der Sachlage erfolgen. Vor allem das Erfordernis, für einen konkreten Sachverhalt einzuwilligen, stellt die Praxis vor Herausforderungen.

Die Nennung konkreter Unternehmen

Die ankreuzbare Vorformulierung der Einwilligung muss nicht nur in einem gesonderten Text ohne sonstigen Inhalt untergebracht werden (BGH GRUR 2012, 531 – Einwilligung in Werbeanrufe II), es müssen vor allem auch die zukünftig werbenden Unternehmen konkret benannt werden. Nach jüngst geäußerter Ansicht des OLG Koblenz verbietet es sich daher, die Einwilligung pauschal auch für „verbundene Unternehmen“ einzuholen, da anderenfalls die jederzeitige Widerrufsmöglichkeit des Verbrauchers unangemessen beschränkt werde. Deshalb sei stets die Nennung jedes einzelnen Unternehmens, das künftig über einen Newsletter Werbung versenden möchte, mit Namen und Anschrift erforderlich. Einen Schritt weiter geht das LG Düsseldorf, das selbst eine Verlinkung auf eine separate Liste mit den verbundenen Unternehmen innerhalb der Einwilligungserklärung nicht für ausreichend erachtet (Urt. v. 20.12.2013, Az. 33 O 95/13). Ob sich diese, bislang ohne weitere Bestätigung gebliebene Ansicht durchsetzt, ist zwar zu bezweifeln, da sie nicht nur die Anbieter von E-Mail-Marketing vor enorme Probleme stellt, sondern auch den Werbeadressaten keinen Gefallen tut, wenn sie die bereits umfangreiche Einwilligungserklärung unnötig um ein Vielfaches zu verlängern sucht und dadurch – anders als die Verlinkungslösung – dem Verbraucher die Wahrnehmung der relevanten Einwilligungsinformationen erschwert. Doch ist insoweit bei der Formulierung der Einwilligungserklärung Vorsicht angebracht und die weitere Entwicklung abzuwarten.

Konsequenz dieser restriktiven Rechtsprechung ist auch, dass angekaufte Adresslisten kaum rechtssicher verwendet werden können, auch wenn der BGH die Beauftragung Dritter zur Einholung von Einwilligungen generell für zulässig erachtet (GRUR 2012, 531 – Einwilligung in Werbeanrufe II). Denn Unternehmen dürfen sich nicht auf die Zusage von Adresshändlern verlassen, die Einwilligungen seien wirksam eingeholt worden (OLG Düsseldorf Urt. v. 24.11.09, Az. I-20 U137/09; KG Beschl. v. 29.10.12, Az. 5 W 107/12). Vielmehr können nach dem genannten Urteil des LG Düsseldorf Verträge über die Lieferung von Kundendaten sogar nichtig sein, wenn diese durch eine vorgespiegelte Meinungsumfrage, die tatsächlich rein werbliche Zwecke verfolgte, generiert wurden.

Die Nennung konkreter Produkte

Daneben ist darauf zu achten, dass der Kunde in Werbung für konkrete Produkte und Dienstleistungen einwilligt. Allgemeine Umschreibungen – etwa „Finanzprodukte aller Art“ – genügen zwar nicht, die Nennung eng umgrenzter Produktkategorien dürfte jedoch nicht zu beanstanden sein (z. B. Werbung zu den Themen „Aktien und Immobilien“).

IV. Jetzt kann ich loslegen!

Dass dies nicht alle rechtlichen Fallstricke sind, die im Newsletter-Marketing drohen, dürfte nicht überraschen. Wichtig sind und immer wieder übersehen werden insbesondere

Der Grundsatz der Datensparsamkeit: Aus dem datenschutzrechtlichen Gebot, nur die für die Verarbeitung notwendigen Daten zu erheben (§ 3a BDSG), folgt, das grundsätzlich nur die E-Mail-Adresse für den Newsletter-Versand erhoben werden darf. Weitere Angaben (Interessenschwerpunkte, Berufstätigkeit, finanzielle Situation etc.) dürfen nur zusammen mit einem Hinweis auf die Freiwilligkeit der Angabe abgefragt werden.

Die Impressumspflicht: Jedem Newsletter ist nicht nur die Möglichkeit der Abbestellung, sondern ein den telemedienrechtlichen Voraussetzungen genügendes Impressum beizufügen.

 

Das Verschleierungsverbot: Aus § 6 Abs. 2 TMG folgt, dass nicht nur generell der Werbezweck als solcher gegenüber dem Empfänger nicht verschleiert werden darf, sondern in Kopf- und Betreffzeile der E-Mail weder der Absender noch der Werbecharakter der Nachricht verschleiert oder verheimlicht werden.

Kunden haben Anspruch auf Papierrechnung

BGH, Urteil vom 09.10.2014 – Az. III ZR 32/14: Keine zusätzlichen Kosten für Papierrechnung

In einem neuen Urteil hat der BGH nochmals klargestellt, dass trotz digitaler Abrufmöglichkeit für die zusätzliche Zusendung einer Rechnung in Papierform jedenfalls dann kein gesondertes Entgelt erhoben werden darf, wenn der Rechnungssteller seine Produkte nicht ausschließlich über das Internet vertreibt. Zudem ist die Erhebung eines hohen „Pfandes“ und dessen Einbehaltung bei verspäteter Rücksendung einer SIM-Karte nach Vertragsbeendigung unzulässig.

Rechnungsstellung ist typische Vertragspflicht

Der beklagte Mobilfunkanbieter stellte seinen Kunden die Rechnungen auf einem Online-Teilnehmerportal zur Verfügung und regelte in seinen AGB, eine zusätzliche Rechnung in Papierform werde nur auf besonderen Kundenwunsch und gegen eine Gebühr von jeweils 1,50 EUR versendet. Der Gerichtshof stufte dies als eine der AGB-Kontrolle unterliegende Preisnebenabrede ein, die von den gesetzlichen Regeln abweiche und mit deren Grundgedanken unvereinbar sei (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn die Rechnungsstellung gehöre zu den allgemeinen vertraglichen Pflichten jedes Unternehmers, für die er außer in gesetzlich geregelten Einzelfällen keine gesonderten Gebühren erheben dürfe. Und sofern ein Unternehmen seine Produkte und Dienstleistungen nicht ausschließlich im Internet vertreibe, könne es nicht davon ausgehen, diese Verpflichtung durch eine elektronische Rechnungsstellung gegenüber allen Kunden vollständig zu erfüllen. Auch trotz der allgemein zunehmenden Verbreitung der Internetnutzung könne man in dieser Konstellation noch nicht davon ausgehen, dass der private Rechtsverkehr standardmäßig online abgewickelt werde.

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Kein pauschaler Schadensersatz für SIM-Karten

Außerdem stelle der BGH fest, dass es eine unangemessene Benachteiligung darstelle, wenn die Höhe eines „Pfandes“ für eine SIM-Karte (hier pauschal 29,65 EUR) erheblich über das zu sichernde Interesse des Unternehmens hinausgehe. Denn bei Leistungsstörungen darf sich der AGB-Verwender keine über seinen eigenen Schaden deutlich hinausgehenden Vorteile auf Kosten des Vertragspartners verschaffen. Die vom beklagten Anbieter vorgetragene Begründung, ein Interesse am Recycling der Karten zu haben und einem Datenmissbrauch vorbeugen zu wollen, hielt der BGH für unbeachtlich.

Praxis

Eine kritische Haltung gegenüber Online-Rechnungen hat der BGH bereits 2009 geäußert und festgestellt, dass der elektronische Rechtsverkehr noch nicht als allgemein üblich angesehen werden könne, da ein Teil der Kunden nicht „über die entsprechenden technischen Möglichkeiten und handwerklichen Fertigkeiten“ verfüge, seine Rechnungen lediglich im Internet abzurufen (BGH NJW 2009, 3227 Rn. 21 – Time [&] More Web). Auch wenn sich an dieser Sachlage nach Einschätzung des Gerichtshofs in den letzten Jahren nichts geändert hat, lässt er erkennen, dass reine Online-Rechnungen nicht auf Dauer ausgeschlossen bleiben müssen. Bis dahin ist in der Praxis darauf zu achten, dem Kunden auf expliziten Wunsch eine kostenfreie Papierversion der Rechnung zur Verfügung zu stellen und AGB entsprechend anzupassen. Zudem ist § 309 Nr. 5 a) BGB in Erinnerung zu rufen, der eine Pauschalisierung von Schadensersatzansprüchen nur unter engen Voraussetzungen ermöglicht.

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Videoüberwachung in Bürogebäuden

Wann ist die Videoüberwachung von Eingangsbereichen und in Treppenhäusern von Bürogebäuden datenschutzrechtlich zulässig? (In Anlehnung an die aktuelle Entscheidung des OVG Lüneburg, Urteil vom 29.09.2014, Az. 11 LC 114/13)

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat sich in einem lesenswerten Urteil vom 29.09.2014 (Az. 11 LC 114/13) ausführlich mit den datenschutzrechtlichen Voraussetzungen der Videoüberwachung im Eingangsbereich und im Treppenhaus eines privaten Bürogebäudes befasst. Durch die konkrete Benennung der datenschutzrechtlichen Anforderungen gibt das OVG Lüneburg den Betreibern von Videoüberwachungsanlagen Leitlinien an die Hand und stärkt deren Rechtssicherheit. Für den niedersächsischen Landesdatenschutzbeauftragten Joachim Wahlbrink, der die Bekämpfung der „seuchenartigen Zunahme“ von privater Videoüberwachung in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt seiner Kontrolltätigkeit gemacht hat, bedeutet das Urteil schon die zweite juristische Niederlage in diesem Verfahren. Der vom OVG Lüneburg entschiedene Fall ist auch deswegen interessant, weil ihm eine typische und in der Praxis weit verbreitete Interessenslage zugrunde liegt.

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Typische Interessenslage

Die Klägerin ist Eigentümerin und Vermieterin eines in einem Gewerbegebiet gelegenen Bürogebäudes. Nachdem in den Abend- und Nachtstunden aus einem vermieteten Büro mehrere Notebooks gestohlen und die Außenfassade des Gebäudes in drei Fällen durch Graffitis beschädigt worden war, entschloss sich die Klägerin zur Installation einer Videoüberwachungsanlage. Von dieser versprach sie sich zum einen einen Abschreckungseffekt, zum anderen sollte damit die Aufklärung von Straftaten erleichtert werden. Die Videoanlage bestand aus zehn sogenannten Mini-Dome-Videokameras, die jeweils in den Eingangsbereichen, in den Vorräumen der Treppenhäuser sowie in Serverräumen im Keller installiert worden sind. Die Kameras waren weder neig-, schwenk- noch zoombar. Der Betrieb erfolgte im sogenannten Black-Box-Verfahren, das heißt, die Kameras schalten sich (nur) bei Bewegungen automatisch ein. Die daraufhin startenden Aufnahmen werden dann auf einer Festplatte gespeichert und automatisch überschrieben, d. h. gelöscht, wenn kein Bedarf mehr für Sichtung besteht, spätestens aber nach zehn Tagen. Die Videoaufnahmen können bei Bedarf auf PC-Monitore übertragen werden. Passwortgesicherten Zugang haben lediglich das externe Unternehmen, das die Videoanlage installiert hat, und ein von der Klägerin bestellter betrieblicher Datenschutzbeauftragter. Zudem wurde durch Hinweisschilder an den Eingangstüren des Gebäudes in Textform und mittels eines Piktogramms auf die Videoüberwachung hingewiesen und die Klägerin als Ansprechpartner angegeben.

Als der niedersächsische Landesdatenschutzbeauftragte hiervon erfuhr, ordnete er nach Anhörung der Vermieterin pauschal die Ausschaltung der Videoüberwachung, die Deinstallation der Kameras und die Löschung des gespeicherten Videomaterials an. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage.

Videoüberwachung in Bürogebäuden ist zulässig

Das OVG Lüneburg stellte fest, dass die Anordnung des Landesdatenschutzbeauftragten rechtswidrig ist. Die Richter halten die oben beschriebene Videoüberwachungseinlage für zulässig, da sie von § 6b BDSG gerechtfertigt sei. Nach dieser Vorschrift ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit sogenannten „optisch-elektronischen Einrichtungen“ (=Videoüberwachung) durch private Unternehmen nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für zuvor festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der von der Überwachung betroffenen Personen überwiegen. Diese Voraussetzungen sahen die Richter im entschiedenen Fall als erfüllt an.

Muss bei der Videoüberwachung überhaupt Datenschutzrecht beachtet werden, auch wenn z.B. keine Gesichter erkennbar sind?

Zunächst führt das OVG Lüneburg aus, dass bei der Videoüberwachung auch dann das Datenschutzrecht zu beachten ist, wenn im Videomaterial keine Gesichter erkennbar sind. Denn für die spätere Identifizierung einer Person könne auch das sonstige Körperbild, etwa die Körperhaltung, die Kleidung oder mitgeführte Gegenstände ausreichen. Auf eine tatsächlich erfolgreiche Identifizierung in jedem Einzelfall komme es aber nicht an. Entscheidend sei es, dass der Zweck der Videoüberwachung gerade darin bestehe, die auf den Bildern festgehaltenen Personen zu identifizieren, wann immer dies für erforderlich gehalten werde.

In welchen Bereichen von Bürogebäuden ist eine Videoüberwachung grundsätzlich zulässig?

Damit die Videoüberwachung von § 6b BDSG legitimiert werden kann, muss es sich bei den überwachten Bereichen um öffentlich zugängliche Räume handeln. Dies sind alle Bereiche, die von einem unbestimmten oder nur nach allgemeinen Merkmalen bestimmten Personenkreis betreten und genutzt werden können (z. B. von Besuchern, Kunden, Gästen, Geschäftspartnern) und die ihrem Zweck nach auch dazu bestimmt sind. Das OVG Lüneburg weist zutreffend darauf hin, dass die Frage der öffentlichen Zugänglichkeit auch von der Uhrzeit abhängen kann: Im Falle eines Geschäfts- und Bürogebäudes werde der Allgemeinheit in der Regel nur zu den branchenüblichen Sprech- und Öffnungszeiten Zugang gewährt (z. B. werktags zwischen 8 und 20 Uhr). Außerhalb dieser Zeiten handele es sich dann aber regelmäßig nicht mehr um öffentlich zugängliche Räume. Ausnahmen können jedoch gelten, wenn es etwa aufgrund der individuellen Eigenarten des jeweiligen Gewerbes zum Empfang von Besuchern und Kunden auch noch in den Abend- oder Nachtstunden oder am Wochenende kommen kann (etwa bei Spätkäufen oder Rechtsanwaltskanzleien).

Wer kann sich auf die „Wahrnehmung des Hausrechts“ berufen?

Das Hausrecht ist das Recht des Eigentümers (und davon abgeleitet das des Mieters), darüber zu entscheiden, wer ein Gebäude betreten und darin verweilen darf. Der Inhaber des Hausrechts ist daher berechtigt, die zum Schutz des Objekts und der sich darin aufhaltenden Personen sowie die zur Abwehr unbefugten Betretens erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, z.B. Störer zu verweisen und ihnen das Betreten für die Zukunft zu untersagen („Hausverbot“). In Bezug auf Videoüberwachung kann sich daher auf sein Hausrecht berufen, wer Eigentümer oder Mieter ist und mit der Videoüberwachung die Verletzung seines Hausrechts verhindern oder durch Auswertung des aufgenommenen Bildmaterials zu Beweiszwecken sichern will.

Wer kann sich auf die „Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke“ berufen?

Als derartiges Interesse gilt nicht nur ein rechtliches, sondern jedes tatsächliche Interesse, das auch wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann, wobei es objektiv begründbar sein und sich aus der konkreten Sachlage heraus ergeben muss. Dies sei beispielsweise der Fall bei Gebäuden in Gegenden mit potentiell gefährdeten Bereichen, etwa bei Einkaufszentren, Kaufhäusern und weitläufigen und schwer einsehbaren Geschäftsräumen wie etwa Selbstbedienungsläden oder potentiell stark gefährdeten Einrichtungen, die typischerweise Opfer von Straftaten wie Einbruchsdiebstählen oder Überfällen werden, etwa Tankstellen und Juwelierläden.

Aus Sicht des OVG Lüneburg liegen berechtigte Interessen jedoch nicht automatisch vor, nur weil sich das betroffene Gebäude in der Nähe einer Autobahnauffahrt oder in einem Gewerbegebiet liegt. Ein berechtigtes Interesse komme hier nur in Betracht, wenn weitere Anhaltspunkte für eine Gefährdung vorliegen. Dies könnten z. B. in der Vergangenheit stattgefundene und dokumentierte Vorfälle wie z. B. Einbrüche oder Sachbeschädigungen sein.

Gibt es ein milderes Mittel zur durchgeführten Videoüberwachung? Muss ich mich z.B. auf die Beauftragung von Wachpersonal verweisen lassen?

Die Datenschutzbehörden verweisen Unternehmen, die Videoüberwachungsanlagen betreiben oder betreiben möchten, gerne auf die Möglichkeit der Beauftragung von (zusätzlichem) Wachpersonal. Diese Möglichkeit scheidet für die betroffenen Unternehmen jedoch häufig bereits aus Kostengründen von vornhinein aus.

Auch das OVG Lüneburg hält den Einsatz von Wachpersonal und die damit verbundenen Kosten für wirtschaftlich nicht vertretbar und damit für die Klägerin für unzumutbar. Zudem sei bereits fraglich, ob ein derartiger Einsatz in gleicher Weise geeignet ist, die gewünschten Zwecke zu erreichen, da das Wachpersonal nicht zu jeder Zeit an allen überwachten Orten zugleich sein kann. Hinzu komme, dass die dauernde Beobachtung durch Wachleute aus Sicht der Personen, die sich in dem überwachten Gebäude aufhalten, das größere Übel darstellen dürfte.

Als milderes Mittel müsse aber, so das OVG Lüneburg, stets geprüft werden, ob es ausreicht, die Videoüberwachung auf bestimmte Uhrzeiten oder das Wochenende zu beschränken.

Wie lange dürfen die Videoaufnahmen gespeichert werden?

Auch wenn die Gesetzesbegründung und die Datenschutzaufsichtsbehörden regelmäßig von ein bis zwei Arbeitstagen ausgehen, hält das OVG Lüneburg im entschiedenen Fall eine deutlich längere Speicherdauer von bis zu zehn Wochentagen noch für zulässig. Dies deshalb, weil angesichts der häufigen berufsbedingten Abwesenheit der in den Büros konkret tätigen Personen erst nach Ablauf dieser Zeitspanne verlässlich feststehen kann, ob und welche Vorkommnisse (z. B. das Verschwinden des Laptops eines bestimmten Mitarbeiters) eine nähere Untersuchung auch unter Zuhilfenahme der aufgenommenen Videobilder erfordern und rechtfertigen.

Welche Maßnahmen sind typischerweise geeignet, um die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Videoüberwachung zu erfüllen?

Aus Sicht des OVG Lüneburg waren im zu entscheidenden Fall folgende Maßnahmen geeignet, um die Beeinträchtigungen durch die Überwachung zu reduzieren und damit die Videoüberwachung im Ergebnis zu legitimieren:

  • Es kommen nur Kameras ohne Neig-, Schwenk- und Zoomfunktion zum Einsatz, so dass Bewegungen der beobachteten Personen im Raum nicht nachvollzogen werden können
  • Die Bildqualität ist reduziert, so dass „Einzelheiten der beobachteten Personen, insbesondere Gesichtskonturen“ nicht näher in den Blick genommen werden können
  • Die Videoüberwachung beschränkt sich auf solche Räume, die „nicht einem längeren Verweilen, etwa zum Zweck einer Kommunikation mit Dritten“ dienen (z. B. Treppenhäuser, Eingangsbereiche, Vorräume, Kellerbereiche)
  • Es werden keine höchstpersönlichen Bereiche der Intim- und Privatsphäre (z. B. Toiletten, Umkleidekabinen, Duschen, Saunen, ärztliche Behandlungsräume, Privaträume, Gastronomiebetriebe) und keine Arbeitsplätze überwacht
  • Auf die Live-Übertragung und Echtzeit-Auswertung der Videobilder wird verzichtet, stattdessen wird das Black-Box-Verfahren eingesetzt
  • Durch Hinweisschilder wird auf die Videoüberwachung sowie einen Ansprechpartner hingewiesen
  • Die Speicherdauer der Videoaufzeichnungen ist angemessen.

Empfehlung

Videoüberwachung ist aus datenschutzrechtlicher Sicht ein schwieriges Feld. Dies nicht zuletzt auch deswegen, weil zahlreiche Aufsichtsbehörden in den letzten Jahren einen Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf diesen Bereich gelegt haben. Die Aufsichtsbehörden halten private Videoüberwachung nur in wenigen Einzelfällen für zulässig. Das Urteil des OVG Lüneburg stärkt daher solchen Unternehmen, die Videoüberwachungsanlagen in Bürogebäuden einsetzen oder einsetzen wollen, im Falle von Auseinandersetzungen mit den Aufsichtsbehörden den Rücken. Gleichwohl sollte das Urteil nicht überbewertet werden. Die Zulässigkeit von Videoüberwachung in öffentlichen Räumen kann nur im Einzelfall bestimmt werden und es ist nicht ausgeschlossen, dass andere Gerichte abweichende Bewertungsmaßstäbe anlegen.

Checkliste der Medienanstalten für Veranstalter von Web‐TV

Linear verbreitete Web-TV-Angebote bedürfen meist der Rundfunkzulassung

Internetauftritte enthalten häufig Bewegtbildinhalte in Form von Clips etc. Darüber hinaus werden mittlerweile audiovisuelle Beiträge auch über Smart-TV-Geräte als sogenannter Over-the-top-Content („OTT“) verbreitet. Hierbei müssen sich Unternehmen die Frage stellen, ob die Inhalte als zulassungspflichtige Web-TV-Angebote im Sinne des Rundfunkrechts einzuordnen sind.

Web-TV-Veranstalter

Bereits in 2007/2008 kam die Frage auf, ob neben klassischen TV-Sendern auch Veranstalter von Web-TV-Angeboten eine Rundfunkzulassung beantragen müssen. Die Zulassung von klassischen TV-Sendern (Rundfunk) ist im Rundfunkstaatsvertrag sowie in den Mediengesetzen der einzelnen Bundesländer geregelt. Private Veranstalter von Rundfunk bedürfen danach einer Zulassung, welche bei einer der Landesmedienanstalten zu beantragen ist. Die Landesmedienanstalten stellten sich hierbei auf den Standpunkt, dass zumindest gewisse Web-TV-Angebote ebenfalls der Zulassung bedürfen.

Dass eine Zulassungspflicht für Web-TV-Angebote unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zwingend ist, hat Rechtsanwalt Jan O. Baier bereits in einem Fachbeitrag in 2008 gezeigt („Zulassungspflicht für Web-TV? – Maßgebliche Kriterien im Lichte des Rundfunkbegriffs“, Computer und Recht (CR) 2008, 769-776), da nach seiner Einschätzung angesichts der im Internet bestehenden Meinungsvielfalt für die Mehrzahl der Web-TV-Angebote keine Rechtfertigung für die besondere Sicherung „Zulassungserfordernis“ besteht, die dem herkömmlichen Rundfunk auferlegt wurde.

Checkliste der Landesmedienanstalten

Dennoch gilt es derzeit, bei der Veranstaltung von Web-TV-Angeboten die mehrheitlich vorausgesetzte Zulassungspflicht zu beachten. Hierzu haben die Landesmedienanstalten nun eine neue Checkliste vorgelegt, die die Abgrenzung von zulassungspflichtigen zu nicht-zulassungspflichtigen Angeboten erleichtern soll. Die Checkliste ist hier auf der gemeinsamen Website der Landesmedienanstalten als PDF abrufbar (http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Rechtsgrundlagen/Richtlinien/Checkliste_Web-TV.pdf).

Danach sind folgende Kriterien relevant:

1. Verbreiten Sie Ihr Angebot live oder bestimmen Sie zumindest den Zeitpunkt des Sendestarts (lineare Verbreitung)?

Das wichtigste Abgrenzungskriterium ist die Abgrenzung von linearen zu non-linearen Angeboten. On-Demand-Inhalte (auf Abruf) sind fast immer Telemedien und bedürfen daher keiner Rundfunkzulassung. Können Nutzer hingegen nicht selbst bestimmen, wann das Angebot startet oder endet, wird das Angebot linear verbreitet. Live bedeutet darüber hinaus, dass das Angebot nur zeitgleich zum realen Geschehen empfangen werden kann.

2. Richtet sich Ihr Angebot an mindestens 500 potentielle Nutzer gleichzeitig?

Ein weiteres Kriterium ist (wenn auch relativ willkürlich gewählt) ist die Frage, ob sich das Angebot an mindestens 500 potentielle Nutzer gleichzeitig richtet. Wenn Sie Ihr Angebot weniger als 500 Nutzern zum gleichzeitigen Empfang anbieten, benötigen Sie keine Rundfunkzulassung. Keine Rolle spielt, wie viele Personen Ihr Angebot tatsächlich konsumieren. Das Kriterium ist daher rein technischer Natur.

3. Ist Ihr Angebot journalistischredaktionell gestaltet?

Weiterhin muss das Angebot journalistisch-redaktionell gestaltet sein, dass erlaubnispflichtiger Rundfunk vorliegt. So ist z.B. das Verbreiten von Bildern ohne jede weitere Bearbeitung kein journalistisch-redaktionelles Angebot.

4. Wie umfangreich und ausdifferenziert ist Ihr Angebot? Verbreiten Sie Ihr Angebot nur einmalig oder regelmäßig bzw. dauerhaft?

Je geplanter, umfangreicher und ausdifferenzierter (z.B. in verschiedene Sendungen oder Sendungsbestandteile) und je regelmäßiger ein Angebot ausgestrahlt werden soll, umso eher soll es sich um erlaubnispflichtigen Rundfunk handeln. Hingegen soll für die lediglich einmalige oder sporadische Verbreitung eines Angebots in der Regel keine Rundfunkzulassung erforderlich sein.

5. Sind Sie (noch) YouTuber oder veranstalten Sie schon zulassungspflichtigen Rundfunk?

Schwieriger wird die Abgrenzung, wenn Sie die Vorteile beider Kommunikationsformen miteinander kombinieren, also regelmäßige Hangouts oder Livestreams anbieten, aber auch auf oder in einer Mediathek präsent sind. Hier gibt es keine Faustregel, Sie sollten sich daher in jedem Fall beraten lassen. Dies gilt insbesondere, wenn Sie mit Ihrem Angebot kommerzielle Zwecke verfolgen, (z.B. durch eine Refinanzierung über Werbung) oder selbst als gewerbliches Unternehmen auftreten.

Durchsetzbarkeit von vertraglichen Abwerbeverboten in Due-Diligence-Situationen

BGH, Urteil vom 30.04.2014 – Az. I ZR 245/12: Vertragliche Abwerbeverbote sind nur in Ausnahmefällen durchsetzbar

Wann immer es zu Aufkäufen von Start-ups oder Zusammenschlüssen von Unternehmen kommt, gehen die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter gemäß § 613a BGB auf das aufkaufende bzw. neu entstandene Unternehmen über. Sowohl die bisherigen als auch die im neuen Unternehmen erworbenen Kenntnisse und Netzwerke der Mitarbeiter können für deren ehemaligen Arbeitgeber von großem Interesse sein. Dies gilt insbesondere im Start-up-Bereich, da dort „weiche“ Unternehmenswerte eine große Rolle spielen. Häufig ist das gesamte Unternehmens-Knowhow auf einige wenige Köpfe verteilt. Das aufkaufende Unternehmen hat daher ein nachvollziehbares Interesse an der Sicherung seiner Mitarbeiter. Im IT-Bereich schließen Unternehmen daher häufig Vereinbarungen, mit denen sie sich verpflichten, keine Mitarbeiter des jeweils anderen Unternehmens einzustellen. Vor allem in Due-Diligence-Situationen besteht das Bedürfnis, neben Vereinbarungen zur Vertraulichkeit auch Einstellungs- und Abwerbeverbote zu vereinbaren.

Wirksamkeit von Einstellungsverboten

Vertragliche Einstellungsverbote sind grundsätzlich zulässig. Allerdings ordnet § 75 f Handelsgesetzbuch (HGB) an, dass beiden Unternehmen ein Rücktrittsrecht von derartigen Verträgen zusteht. Zudem ist das Einstellungsverbot weder einredefähig noch klagbar, kann also nicht durchgesetzt werden. Im Ernstfall sind vertragliche Einstellungsverbote daher faktisch wertlos. Hintergrund der Regelung ist der mit solchen Einstellungsverboten einhergehende Eingriff in die durch Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit des betroffenen Mitarbeiters. Bei vertraglichen Einstellungsverboten zwischen zwei Unternehmen handelt es sich nämlich um einen sogenannten Vertrag zu Lasten Dritter. Der Dritte – also der vom Einstellungsverbot betroffene Mitarbeiter – soll durch einen Vertrag, an dem er nicht überhaupt beteiligt ist, nicht in seinem beruflichen Fortkommen behindert werden.

Was gilt bei Abwerbeverboten?

Die Frage, ob auch Abwerbeverbote unter § 75 f HGB fallen, war bislang höchst umstritten. In einem am 22.09.2014 veröffentlichen Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun entschieden, dass § 75 f HGB auch für vertragliche Abwerbeverbote zwischen Unternehmen gilt. Zur Begründung führt der BGH aus, dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach zwar eigentlich nur vertragliche Einstellungsverbote betreffe. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift müssten aber auch Abwerbeverbote in deren Anwendungsbereich fallen. Denn die Vorschrift diene dem Interesse des betroffenen Mitarbeiters an seinem beruflichen Fortkommen. Dieses Interesse überwiege das – wenn auch nachvollziehbare – Interesse seines Arbeitgebers und sei daher vorrangig. Zwar lasse ein Abwerbeverbot dem betroffenen Mitarbeiter die Möglichkeit, sich aktiv bei dem anderen Unternehmen zu bewerben. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass es bei der Besetzung offener Stellen gängige Praxis sei, Arbeitnehmer von sich aus oder unter Einschaltung von Personalberatern auf Stellenangebote anzusprechen. Wenn dem Mitarbeiter nun die Möglichkeit versperrt werde, auf diese Weise von einer Stelle Kenntnis zu nehmen, habe er auch keine Chance, diese Stelle zu erhalten. Im Ergebnis wiege der Eingriff in die Berufsfreiheit des Mitarbeiters daher genauso schwer wie dies bei einem Einstellungsverbot der Fall sei.

Ausnahmen

Allerdings erkannte der BGH auch Ausnahmen an. In bestimmten Fällen, in denen das Interesse des Unternehmens am Abwerbeverbot das Interesse des betroffenen Mitarbeiters an der freien Wahl seines (zukünftigen) Arbeitgebers überwiegt, sei das Abwerbeverbot ausnahmsweise durchsetzbar.

Unterlassungserklärung

Ein solcher Fall liege nach Auffassung des BGH zum einen vor, wenn das Verhalten des abwerbenden Unternehmens eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt, die nach den Vorschriften des UWG unzulässig ist. Dies könne z.B. der Fall sein, wenn sich ein Unternehmen mit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung dazu verpflichtet hat, keine Mitarbeiter des anderen Unternehmens abzuwerben. Denn dann würde es zu widersprüchlichen Ergebnissen führen, wenn das andere Unternehmen hieraus wegen §75 f HGB keine durchsetzbaren Ansprüche herleiten könne.

Abwerbeverbot als Nebenbestimmung

Nicht in den Anwendungsbereich des § 75 f HGB sollen außerdem solche Vereinbarungen fallen, bei denen das Abwerbeverbot nicht Hauptzweck ist, sondern nur eine Nebenbestimmung darstellt, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Parteien oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit einer der beiden vertragschließenden Seiten Rechnung trägt. Dient ein Abwerbeverbot daher primär dem Schutz vor illoyaler Ausnutzung von Erkenntnissen, die im Rahmen solcher Vertragsverhältnisse und ihrer Abwicklung gewonnen werden können, so bestehe nach Auffassung des BGH kein Grund, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zu versagen.

Diese Fallgruppe ist insbesondere im Start-up-Bereich wichtig, denn sie umfasst auch solche Abwerbeverbote, die aus Anlass einer Due-Diligence-Prüfung vereinbart werden.

Zeitliche Grenzen

Wenn vertragliche Abwerbeverbote ausnahmsweise durchsetzbar sind, stellt dies einen Eingriff in das Recht des betroffenen Mitarbeiters an der freien Wahl seines Arbeitgebers dar. Daher muss ein vertragliches Abwerbeverbot zeitlich begrenzt sein. Nach dem BGH ist die Grenze bei zwei Jahren nach Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Mitarbeiter zu ziehen.

Fazit

Bisher war nicht entschieden, ob § 75 f HGB auf vertragliche Abwerbeverbote zwischen Unternehmen Anwendung findet. Der BGH bejaht dies und schafft in dieser Frage begrüßenswerte Rechtssicherheit. Damit sind Abwerbeverbote in der Regel zwar nicht durchsetzbar. Eine ausdrückliche Ausnahme macht der BGH jedoch in Due-Diligence-Situationen. Das im Rahmen einer Due Diligence untersuchte Unternehmen kann daher mit den Interessenten wirksame und durchsetzbare Abwerbeverbote zum Schutz vor der Abwerbung seiner Mitarbeiter treffen. Allerdings müssen die Abwerbeverbote auf zwei Jahre befristet werden.

Werbeslogans als Marke schützen?

Rechtsprechung bleibt streng: Werbeslogans können nur in seltenen Fällen als Marke geschützt werden

Immer wieder versuchen Unternehmen oder Werbeagenturen, Werbeslogans durch eine Registrierung als Marke vor Nachahmung zu schützen. Verständlicherweise, denn die Slogans wurden mit teilweise erheblichem Aufwand entwickelt und mit großem Werbeaufwand bei Verbrauchern bekannt gemacht. Die Rechtsprechung gesteht grundsätzlich auch einen Schutz von Werbeslogans durch das Markenrecht zu, wenn die Schutzvoraussetzungen erfüllt sind. In vielen Fällen scheitert aber die Anmeldung eines Werbeslogans, weil Ämter und teilweise auch die Rechtsprechung einen strengen Maßstab an die Erfüllung der Schutzvoraussetzungen anlegt. Aktuell hat der Europäische Gerichtshof (das Gericht erster Instanz, EuG) in zwei Fällen wieder einen Schutz abgelehnt, nämlich einmal für den Werbeslogan „Wash [&] Coffee“ (EuG, Urteil vom 14. Juli 2014, Rechtssache T – 5/12 – Wash [&] Coffee) sowie für den Werbeslogan „ab in den Urlaub“, der durch intensive Werbung bekannt sein dürfte (EuG, Urteil vom 14. Juni 2014, Rechtssache T – 273/12 – ab in den Urlaub). Trotz dieser aktuellen Entscheidungen ist festzustellen, dass EuGH und BGH zu strenge Entscheidungen der Ämter korrigieren und Werbeslogans immer wieder Schutzfähigkeit zusprechen.

Ausgangslage

Jedes als Marke angemeldete Zeichen, also auch der Werbeslogan, muss gemäß Art. 7 Abs. 1 Buchstabe b) der Gemeinschaftsmarkenverordnung (GMV, für Gemeinschaftsmarken) bzw. gemäß § 8 Abs. 2 Nr, 1 Markengesetz (MarkenG, für deutsche Marken) die erforderliche Unterscheidungskraft besitzen. Bei Gemeinschaftsmarken fehlt die Unterscheidungskraft auch, wenn das Eintragungshindernis nur in einem Teil der europäischen Union vorliegt (Art. 7 Abs. 2 GMV). Nach ständiger Rechtsprechung bedeutet die Unterscheidungskraft einer Marke, dass die Marke geeignet ist, die Ware oder Dienstleistung für die die Eintragung beantragt wird, als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese somit von den Waren oder Dienstleistungen anderer Unternehmen zu unterscheiden, und dass sie folglich die Hauptfunktion einer Marke erfüllen kann (z.B. EuGH in GRUR 2002, 804 – Philips). Die Unterscheidungskraft einer Marke ist zum einen im Hinblick auf die Waren oder Dienstleistungen, für die sie angemeldet worden ist, und zum anderen im Hinblick auf ihre Wahrnehmung durch die maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen (z.B. EuGH in GRUR Int. 2004, 635 – Procter [&] Gamble). Zu Werbeslogans hat der EuGH entschieden, dass diese nicht schon wegen einer solchen Verwendung von der Eintragung ausgeschlossen sind. An die Beurteilung der Unterscheidungskraft solcher Marken sind keine strengeren Maßstäbe anzulegen als an sonstige Zeichen (EuGH GRUR 2010, 228 – Vorsprung durch Technik). Grundsätzlich hat der EuGH zu Werbeslogans aber festgestellt, dass der Durchschnittsverbraucher aus einem Werbeslogan „gewöhnlich“ nicht auf die Herkunft von Waren oder Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen schließt und deshalb die Unterscheidungskraft nur bejaht werden kann, wenn die Werbefunktion des Slogans gegenüber der Herkunftsfunktion offensichtlich von untergeordneter Bedeutung ist (EuGH GRUR 2004, 1027 – Das Prinzip der Bequemlichkeit). Im Ergebnis bedeutet dies, dass die Schutzfähigkeit eher zu bejahen ist, wenn der Werbeslogan originell, prägnant und/oder witzig ist.

Die Entscheidungen des EuG

Diese Maßstäbe hat das EuG in den eingangs genannten Fällen angelegt und ist in beiden Fällen zu dem Ergebnis gekommen, dass konkret keine Unterscheidungskraft vorliegt. Im Fall des Slogans „Wash [&] Coffee“, angemeldet für den „Betrieb eines Waschsalons“ und „Bewirtung von Gästen“, hat das EuG entschieden, dass die Werbebotschaft des Slogans sofort verständlich sei. Diese Botschaft gehe nämlich aus dem Slogan klar hervor und verlange den maßgeblichen Verkehrskreisen keinen nennenswerten Interpretationsaufwand ab. Zudem weise der Slogan keine Originalität oder Prägnanz auf, die ihn leicht merkfähig machen würde. Im Ergebnis hat das EuG den Slogan für beschreibend in Bezug auf die Dienstleistungen gehalten und ihm daher die Unterscheidungskraft und somit Schutzfähigkeit abgesprochen. Im Fall des Slogans „ab in den Urlaub“ hat das EuG festgestellt, dass dieser Ausdruck unmittelbar und ohne dass man sich anstrengen müsse, um ihn zu verstehen, die Vorstellung einer Anregung zum Aufbruch in den Urlaub hervorrufe. Der Ausdruck vermittle die Sachaussage, dass die von der angemeldeten Marke erfassten Dienstleistungen aus dem Tourismusbereich stammen oder an den Bedürfnissen von Tourismusunternehmen ausgerichtet und für diese bestimmt sind.

Fazit

Ein Werbeslogan ist als Marke eintragungsfähig, wenn er als Herkunftshinweis in Bezug auf die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen verstanden wird. Das kann auch bei einfachen Sachaussagen der Fall sein, wenn sie eine gewisse Originalität und Prägnanz aufweisen, die sie leicht merkfähig machen (z.B. „Vorsprung durch Technik“). In der Praxis begegnet die Anmeldung von Werbeslogans aber wegen der strengen Maßstäbe Schwierigkeiten. Die dargestellten Entscheidungen des EuG sind im konkreten Fall aber nachvollziehbar. Es darf vor diesem Hintergrund jedoch nicht vergessen werden, dass BGH und EuGH immer wieder betont haben, dass die Maßstäbe dazu führen, dass Werbeslogans per se nicht schutzfähig sind. Es kann daher ratsam sein, eine ablehnende Entscheidung des Amtes nicht hinzunehmen und Rechtsmittel dagegen einzulegen. So hat das Bundespatentgericht (BPatG) in einer aktuellen Entscheidung den Slogan „You smile we care“ für Dienstleistungen eines Zahntechnikers bzw. eines Zahnarztes als unterscheidungskräftig angesehen und zur Eintragung zugelassen (BPatG, Beschluss vom 30. Januar 2014, Az. 30 (w) pat 30/12). Dabei hat sich das BPatG auf die hier dargestellte Rechtsprechung des EuGH berufen und diese angewendet. Es besteht also Hoffnung!

Persönliche Haftung des GmbH-Geschäftsführers für Rechtsverletzungen?

Bundesgerichtshof (BGH) verneint Störerhaftung bei Wettbewerbsverstößen (Urt. v. 18.06.2014 – Az.: I ZR 242/12)

Nicht selten werden Geschäftsführer für Rechtsverstöße der GmbH persönlich haftbar gemacht und neben der GmbH zusätzlich auf Unterlassung bzw. Kostenerstattung und Schadensersatz in Anspruch genommen. Es stellt sich daher die Frage, in welchen Fällen GmbH-Geschäftsführer persönlich in Anspruch genommen werden können. Der BGH hat nun in einem Fall zumindest die Störerhaftung des Geschäftsführers für Wettbewerbsverstöße verneint und insoweit seine Tendenz in der jüngsten Rechtsprechung bestätigt.

Unterscheidung zwischen Täter, Teilnehmer und Störer

Ausgangspunkt für eine mögliche Haftung des Geschäftsführers ist die Frage, ob dieser für den Rechtsverstoß – etwa eine Markenrechtsverletzung oder ein Wettbewerbsverstoß – als Täter, Teilnehmer oder Störer in Anspruch genommen werden kann. Begeht der Geschäftsführer die Rechtsverletzung persönlich, haftet er unstreitig neben der GmbH persönlich als Täter. Gleiches gilt, wenn er die rechtsverletzende Handlung selbst in Auftrag gegeben hat. In diesem Fall ist eine Haftung als Teilnehmer gegeben. Eine Haftung als Täter oder Teilnehmer liegt so in der Regel bei der rechtsverletzenden Benutzung einer bestimmten Firmierung oder dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens vor, über den typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird.

Schwieriger sind die Fälle zu bewerten, in denen keine eindeutige Haftung als Täter oder Teilnehmer gegeben ist und dem Geschäftsführer insoweit kein „aktives Tun“ vorgeworfen werden kann. Hier kommt lediglich eine Haftung als sog. Störer in Betracht. Dabei kann es für eine Haftung unter Umständen ausreichen, wenn der Geschäftsführer Kenntnis von dem jeweiligen Rechtsverstoß hatte und es unterlassen hat, ihn zu verhindern. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist hier der Vorwurf, dass der Geschäftsführer zumindest durch Verletzung von Prüfungspflichten ursächlich zu einer Rechtsverletzung beigetragen hat.

Störerhaftung bei der Verletzung von Markenrechten

Eine Haftung als Störer wird von den Gerichten nach wie vor im Bereich der Verletzung absoluter Rechte bejaht, so z.B. bei der Verletzung von Markenrechten. Hier haftet daher regelmäßig der Geschäftsführer persönlich neben der GmbH (ständige Rechtsprechung, BGH, Urt. v. 19.04.2012 – I ZR 86/10 – Pelikan). Allerdings wird auch hier von den Gerichten zumindest vorausgesetzt, dass der Geschäftsführer Kenntnis von der Rechtsverletzung gehabt haben muss. Dies wird jedoch in vielen Fällen zumindest vermutet. Will der Geschäftsführer daher der Haftung entgehen, muss er plausibel darlegen können, dass er von der etwaigen Rechtsverletzung nichts wusste und ihm auch kein Organisationsverschulden angelastet werden kann (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 28.02.2013 – 3 U 136/11). Dies gelingt in der Praxis nur in den wenigsten Fällen.

Keine Störerhaftung im Wettbewerbsrecht

 

Anders sieht es nach den aktuellen Entscheidungen des BGH im Wettbewerbsrecht aus. Hier wurde die Störerhaftung für Geschäftsführer in letzter Zeit ausdrücklich aufgegeben (BGH, Urt. v. 22. 7. 2010 – I ZR 139/08 – Kinderhochstühle im Internet). Die schlichte Kenntnis des Geschäftsführers von Wettbewerbsverletzungen scheidet daher in der Regel als haftungsbegründender Umstand aus. Eine persönliche Haftung des Geschäftsführers für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft besteht danach nur noch, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer besonderen Garantenstellung hätte verhindern müssen.

Diese Tendenz in der Rechtsprechung wurde nun auch durch die jüngste BGH-Entscheidung vom 18.06.2014 (I ZR 242/12) bestätigt. In dem zugrunde liegenden Fall hatten angeblich von der Beklagte eingesetzte Werber versucht, Verbraucher mit unzutreffenden und irreführenden Angaben zur Kündigung ihrer Gaslieferverträge mit der Klägerin, einem Gasversorgungsunternehmen, zu bewegen. Die Klägerin hatte den Geschäftsführer persönlich für die Verstöße verantwortlich gemacht. Die BGH-Richter lehnten jedoch eine persönliche Haftung des Geschäftsführers ab. Allein seine Stellung als Geschäftsführer begründe noch keine Verpflichtung gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße der Gesellschaft zu verhindern, so das Gericht. 
Eine sonstige Haftung aufgrund einer besonderen Garantenstellung sahen die Richter im konkreten Fall ebenfalls nicht.

Fazit

Mit seinem jüngsten Urteil hat der BGH die Anforderungen an eine persönliche Haftung von Geschäftsführern für wettbewerbsrechtliche Verstöße erhöht. Im Wettbewerbsrecht wird daher künftig eine Inanspruchnahme von Geschäftsführern in der Regel nur noch dann möglich sein, wenn ihnen tatsächlich der Vorwurf einer Haftung als Täter oder Teilnehmer gemacht werden kann. Eine solche Haftung wird allerdings im Bereich allgemeiner Konzepte der Kundenwerbung oder dem allgemeinen Werbeauftritt eines Unternehmens zumindest widerlegbar vermutet. Daher stellt auch die jüngste Entscheidung den Geschäftsführer im Wettbewerbsrecht nicht völlig von der Haftung frei und es muss in jedem Einzelfall geprüft werden, inwieweit tatsächlich eine persönliche Haftung gegeben sein kann.

Was Online-Händler nun beachten müssen – Das neue Widerrufsrecht

Dieser Beitrag bietet insbesondere Onlineshops einen umfassenden Überblick über die Änderungen und was nun zu beachten ist.

I. Rechtliche Grundlagen des neuen Widerrufsrechts

Mit der gesetzlichen Umsetzung der Verbraucherrechtsrichtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlamentes und des Rates sind weite Teile des Widerrufsrechts reformiert worden. Ziel dabei ist, das Widerrufsrecht in den EU-Mitgliedsstaaten auf einen einheitlichen europäischen Standard zu bringen.

Unter anderem sind mit dem am 13.06.2014 in Kraft getretenen Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechtsrichtlinie die Vorschriften zum Widerrufsrecht bei Fernabsatzverträgen und den ehemaligen „Haustürgeschäften“, jetzt außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge, neu gefasst worden. Gleichfalls künftig zu beachten sind Änderungen bei der Ausführung des Widerrufsrechts und der Rückabwicklung des Vertrages nach §§ 355 ff. BGB n.F. sowie Artikel 246 a § 1 EGBGB n.F.

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II. Änderungen des Widerrufsrechts im Überblick

das bisher in § 356 BGB geregelte Rückgaberecht des Verbrauchers, welches der Unternehmer alternativ zum Widerrufsrecht gewähren konnte, fällt ersatzlos weg

  • Harmonisierung des sachlichen Anwendungsbereichs des Widerrufsrechts bei Fernabsatzverträgen und Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden nach § 312g BGB n.F. à dabei Wegfall des Begriffs des ehemalige Haustürgeschäft nach § 312 BGB a.F. (siehe Punkt III)
  • Einführung neuer Ausschlussgründe für das Widerrufsrecht (siehe Punkt IV )
  • Schaffung einheitlicher und umfänglicher Informationspflichten für den Unternehmer (siehe Punkt V)
  • bei Ausübung des Widerrufsrechts entfällt das Schriftformerfordernis der Widerrufserklärung nach § 355 I 2 1. Alt. BGB a.F. und das alternative Erfordernis der Rücksendung der Ware nach § 355 I 2 2. Alt. BGB à ausreichend ist nun jede Erklärung des Verbrauchers, aus der der Entschluss zum Widerruf eindeutig hervorgeht (siehe Punkt VI)
  • Einführung einer einheitlichen Widerrufsfrist von 14 Tagen
  • Abschaffung der unendlichen Widerrufsmöglichkeit bei unterbliebener oder mangelhafter Belehrung
  • Entstehung eines Rückgewährschuldverhältnisses nach § 357 BGB n.F. bei Rückabwicklung des Vertrages (siehe Punkt)

III. Zum sachlichen Anwendungsbereich:

nach § 312 Absatz 1 BGB n.F. ist das Widerrufsrecht nun auch im Fernabsatz nur bei Verträgen mit entgeltliche Leistung anwendbar. Der Begriff „entgeltliche Leistung“ umfasst dabei alle Verträge, bei denen der Verbraucher eine Gegenleistung erbringen muss. Diese muss nicht notwendigerweise in einer Geldzahlung liegen. Genauso umfasst sind beispielsweise Verträge, bei denen der Verbraucher für eine Dienstleistung oder Warenlieferung als „Gegenleistung“ personenbezogene Daten mitteilt und gleichzeitig zur Erhebung, Speicherung und Nutzung einwilligt

  • der Begriff des in § 312 BGB a.F. geregelten „Haustürgeschäfts“ entfällt; stattdessen ist nun in § 312b n.F. BGB der „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Vertrag“ (AGV) geregelt à das Widerrufsrecht besteht nun immer schon dann, wenn ein Unternehmer mit einem Verbraucher einen entgeltlichen Vertrag außerhalb seiner Geschäftsräume schließt. Es ist nicht mehr von vornherein auf Situationen beschränkt, die die freie Willensbetätigung des Verbrauchers einschränken (Überrumplungssituation an der Haustür)
  • anknüpfend daran ist der Ausschlussgrund des § 312 Absatz 3 Nr.1 BGB a.F. entfallen. Der Verbraucher kann einen Vertrag jetzt auch dann widerrufen, wenn die Initiative zum Vertragsschluss von ihm ausgeht. Problematisch ist dies vor allem für Handwerker, die Verträge außerhalb der Geschäftsräume schließen
  • um eine Ausuferung dieser Regelung zu vermeiden befinden sich im reformierte Widerrufsrecht in § 312g Absatz 2 n.F. BGB eine Auflistung an Geschäften, in denen trotz AGV das Widerrufsrecht nicht greift. (siehe Punkt VI.)

IV. Bereichsausnahmen und Ausschlussgründe

Um eine Ausuferung der Widerrufsmöglichkeiten zu vermeiden, fallen einige Verträge von vornherein aus den Anwendungsbereich des Widerrufsrechts heraus. Solche Bereichsausnahmen sind in § 312 Absatz 2 BGB n.F. geregelt.

Darüber hinaus sind in § 312g Absatz 2 BGB n.F. die Ausschlussgründe erweitert worden.

1. Bereichsausnahmen

  • auf Verträge, die unter § 312 Absatz 2 BGB n.F. fallen, besteht kein Widerrufsrecht nach § 312g BGB n.F. à Grund: es bestehen bereits konkurrierende verbraucherschützende Regelung oder Widerrufsrecht wäre für die Betriebsform zu aufwendig
  • bsp.: Behandlungsverträge nach §630a BGB, Verträge über die Lieferung von Lebensmitteln an den Verbraucher in Rahmen häufiger und regelmäßiger Fahrten, Bagatellgrenze von 40 € bei AGV

2. Ausschlussgründe

Die neu ausgestalteten Ausschlussgründe finden sich in § 312g Absatz 2 BGB n.F. (Vorschrift setzt Artikel 16 der Verbraucherrechterichtlinie nahezu wortwörtlich um)

§ 312g Absatz 2 BGB n.F legt fest, dass das Widerrufsrecht nicht bei Verträgen über die folgenden Waren besteht:

Waren, die nachKundenspezifikationhergestellt sind oder auf diepersönlichen Bedürfnissedes Verbrauchers zugeschnitten sind; die Ware muss anderweitig nicht oder nur mir unzumutbaren Preisnachlässen abgesetzt werden können, z.B. Maßkleidung, gravierte Schmuckstücke usw.;

  • Verderbliche Waren, z.B. Schnittblumen, Frischfleisch usw.;
  • Neu:Alkoholische Getränke, deren Preis bei Vertragsschluss vereinbart wurde, die aber frühestens 30 Tage nach Vertragsschluss geliefert werden können und deren aktueller Wert von Schwankungen auf dem Markt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat z.B. Kauf eines Weines noch nicht verfügbaren Jahrgangs „Jahrgang xy“
  • Neu: Zeitungen-, Zeitschriften-oderIllustrierten-Abonnement-Verträge unterliegen künftig dem Widerrufsrecht, der Abschluss eines Abo-Vertrages kann also widerrufen werden, die Lieferung einer Einzelbestellung hingegen nicht; es kommt anders als bisher nicht mehr darauf an, ob die Erklärung telefonisch abgegeben wurde oder nicht;
  • Waren oder Dienstleistungen, derenPreisvonSchwankungenauf dem Finanzmarkt abhängt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat, z.B. Edelmetalle, Rohstoffe, Aktien usw.;
  • Neu:Dienstleistungenin den BereichenBeherbergung(nicht zu Wohnzwecken),Beförderungvon Waren, Kraftfahrzeugvermietung,Lieferungvon Speisen und Getränken sowie zur Erbringung von Dienstleistungen im Zusammenhang mitFreizeitbetätigungen, wenn der Vertrag für die Erbringung einen spezifischenTermin oderZeitraumvorsieht, z.B. Buchung eines Hotelzimmers, Online-Kurse, Tickets für Konzerte u.ä.;
  • Folgende Arten von Verträgen waren – mit Ausnahme der Kraftfahrzeugvermietung – auch vor der Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie von den Regelungen über den Fernabsatz und dessen Widerrufsrecht ausgenommen:
  • Neu:DringendeReparatur- oder Instandhaltungsarbeiten,der Verbraucher muss den Unternehmer ausdrücklich aufgefordert haben, diese Arbeiten durchzuführen; beachte aber :ein Widerrufsrecht soll jedoch bestehen, wenn der Handwerker vor Ort weitere Reparaturen durchführt, die zuvor nicht ausdrücklich verlangt waren
  • Öffentliche Versteigerungen, meint weiterhin nicht den Verkauf über eBay
  • Wett- und Lotteriedienstleistungen, es sei denn, dass der Verbraucher seine Vertragserklärung telefonisch abgegeben hat oder der Vertrag außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde;
  • Neu:Notariell beurkundete Verträge, da hier der Verbraucher durch die notarielle Mitwirkung ausreichend geschützt ist.
  • Besteht Streit darüber, ob die Voraussetzungen eines Ausschlussgrundes vorliegen, so trägt der Online-Händler die Beweislast für das Vorliegen.

3. Die Erlöschensgründe

Beim Kauf folgender Waren besteht grundsätzlich ein Widerrufsrecht. Das eingeräumte Widerrufsrecht kann jedoch durch bestimmte Handlungen des Verbrauchers oder Unternehmers vorzeitig erlöschen:

  • Neu: Gesundheits- und Hygieneartikel, z.B. Arzneimittel, Kosmetikartikel, wenn die Versiegelung (nicht bloße Klarsichtfolie) vom Verbraucher entfernt wurde; nicht ausgeschlossen sind wieder zu reinigende Artikel (z.B. durch abwaschen, desinfizieren) wie Unterwäsche, Schmuck, Erotikartikel;
  • Waren, die bei/nach Lieferung aufgrund ihrer Beschaffenheit untrennbar mit anderen Gütern vermischt/ verbundenwurden, z.B. Heizöl wird mit vorhandenem Heizöl im Tank vermischt; Benzin
  • Ton- oder VideoaufnahmenoderComputersoftwarein einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung (nicht bloße Klarsichtfolie) nach der Lieferung entfernt wurde;
  • Dienstleistungen, wenn der Unternehmer die Dienstleistung vollständigerbrachthat und mit der Ausführung der Dienstleistung erstbegonnenhat, nachdem der Verbraucher dazu seine ausdrückliche Zustimmung gegeben hat und gleichzeitig seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er sein Widerrufsrecht bei vollständiger Vertragserfüllung durch den Unternehmer verliert.

Der Ausschlussgrund „aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für den Rückversand geeignet“ ist weggefallen.

V. Informationspflichten des Unternehmers

1. Information über die wesentlichen Vertragsinhalte

Bereits vor Vertragsschluss muss der Unternehmer den Verbraucher hinreichend über die wesentlichen Vertragsinhalte informieren. Bei Fernabsatzverträgen und AGV richtet sich der Umfang der Informationspflicht nach § 312d Abs. 1 BGB n.F. iVm Art. 246a § 1 EGBGB.

  • Informationspflicht umfasst die Liste mit 16 Punkten nach Art. 246a § 1 Abs. 1 EGBGB (Bsp: Identität des Dienstleisters, bestehen von gesetzlichen Mängelhaftungsrechten, gegebenenfalls die Funktionsweise digitaler Inhalte, einschließlich anwendbarer technischer Schutzmaßnahmen für solche Inhalte)
  • ebenso muss der Unternehmer bereits vorvertraglich über das Widerrufsrecht informieren, Art. 246a § 1 Abs. 2 EGBGB
  • der Unternehmer muss weiterhin sowohl vorvertraglich als auch nachvertraglich über die Ausschluss- und Erlöschensgründe im Rahmen seiner Widerrufsbelehrung informieren, § 312d Absatz 1 BGB n.F. i.V.m. Artikel 246a § 1 Absätze 2 und 3 EGBGB
  • bei der Belehrung über die Erlöschensgründe muss der Unternehmer die Umstände beschreiben, unter denen der Verbraucher sein zunächst bestehendes Widerrufsrecht verliert
  • nach Art. 246a § 1 Abs. 4 EGBGB müssen die Informationen vorvertraglich und in klarer und verständlicher Weise vorliegen. Beim AGV besteht das Erfordernis der Papierform. Bei Zustimmung des Verbrauchers ist auch die Übermittlung auf einen dauerhaften Datenträger möglich. Bei Fernabsatzverträgen müssen die Informationen in einerdem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weisevorliegen

2. Pflicht zum Bereitstellen eines Muster-Widerrufsformulars

Darüber hinaus ist nun jeder Unternehmer nach Art. 246a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EGBGB n.F. i.V.m. § 312d Abs. 1 Satz 1 BGB n.F. gesetzlich verpflichtet, dem Verbraucher ein Muster-Widerrufsformular zur Verfügung zu stellen.

Begründung: Muster-Widerrufsformulares soll es Verbrauchern erleichtern, auch grenzüberschreitend in einfacher Art und Weise einen Widerruf zu erklären.

  • für Verbraucher: keine Pflicht zur Verwendung des Formulars
  • soll lediglich die Ausübung des Widerrufsrechts erleichtern. Verbraucher steht daneben die Möglichkeit offen, durch jede andere eindeutige Erklärung von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen (z.B. per E-Mail).

Das Muster-Widerrufsformular muss dem Verbraucher vor Abgabe von dessen Vertragserklärung inklarerund verständlicher Weiseund in einerdem benutzten Fernkommunikationsmittel angepassten Weisezur Verfügung gestellt werden (§ 312d Absatz 1 Satz 1 BGB n.F. i.V.m. Artikel 246a § 1 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Absatz 1 und Absatz 3 EGBGB n.F.). Das Muster befindet sich in der Anlage 2 zu Art. 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB n. F.

a) Vorschläge für eine praktische Umsetzung

das elektronische Widerrufsformular muss vor Bestellabgabe des Verbrauchers auf der Webseite des Online-Händlers einsehbar sein

  • entsprechend dazu: Schaltfläche mit der Bezeichnung „Widerrufsbelehrung [&] Widerrufsformular“ implementieren, die zentral und jederzeit im Onlineshop verfügbar sein sollte und unter der die Widerrufsbelehrung sowie das zugehörige Widerrufsformular eingestellt werden
  • Schaltfläche sollte in Größe und Farbe gut und deutlich sichtbar sein
  • bei Unterlassung der Bereitstellung eines Widerrufsformulars à Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften à abmahnfähig
  • unvollständigen Belehrung über das Widerrufsrecht à Widerrufsfrist wird nicht in Gang gesetzt

b) Inhaltliche Anforderungen

Aus dem gesetzlichen Muster lässt sich herleiten, dass das Widerrufsformular bestimmte formelle Anforderungen erfüllen muss. Wie ein solches Widerrufsformular auszusehen hat, ist hier exemplarisch dargestellt:

Muster-Widerrufsformular

 

(Wenn Sie den Vertrag widerrufen wollen, dann füllen Sie bitte dieses Formular aus und senden Sie es zurück.)

 

An [hier ist der Name, die Anschrift und gegebenenfalls die Telefaxnummer und E-Mail-Adresse des Unternehmers durch den Unternehmer einzufügen]:

 

Hiermit widerrufe(n) ich/wir (*) den von mir/uns (*) abgeschlossenen Vertrag über den Kauf der folgen- den Waren (*)/die Erbringung der folgenden Dienstleistung (*)

 

Bestellt am (*)/erhalten am (*)

 

Name des/der Verbraucher(s)

 

Anschrift des/der Verbraucher(s)

 

Unterschrift des/der Verbraucher(s) (nur bei Mitteilung auf Papier)

 

Datum

 

(*) Unzutreffendes streichen.

  • Achtung: Name und die Anschrift des Unternehmens sind vom Unternehmer vorauszufüllen
  • Bereitstellen eines elektronischen Widerrufsformulars auf der Internetpräsenz ist verpflichtend
  • aber beachte Wortlaut des § 356 Abs. 1 BGB n.F.: keine gesetzliche Pflicht für Unternehmer, dass Widerrufsformular auch auf Webseite ausfüll- und übermittelbar sein muss

c) Übersendung nach Vertragsschluss

  • die Widerrufsbelehrung muss Verbraucher nach Vertragsschluss erneut inklusive dazugehörigen Widerrufsformulars auf einen dauerhaften Datenträger (§312f Abs.1 u. 2 BGB n.F.) übersendet werden
  • spätestens bis zur vollständigen Erfüllung des Vertrags
  • bei Waren spätestens bis zur Lieferung an den Verbraucher
  • Erfüllung dieser Pflicht kann Unternehmer bereits vor Vertragsschluss bewirken und Verbraucher die Widerrufsbelehrung mit dem Widerrufsformular in Bestellbestätigungs-E-Mail mitteilen

d) Eingangsbestätigung

  • wird Verbraucher ein Widerrufsformular zur Verfügung gestellt, das auf Webseite elektronisch ausgefüllt und übermittelt werden kann, und macht Verbraucher von dieser Möglichkeit Gebrauch,mussder Unternehmer dem Verbraucher den Zugang des Widerrufs unverzüglich auf einem dauerhaften Datenträger (also z.B. per E-Mail) bestätigen
  • möglich: Versendung einer automatischen Eingangsbestätigung, die direkt im Anschluss an den Eingang des Widerrufs versendet wird
  • Unternehmer kann durch Einbinden des Widerrufsformular auf seiner Internetseite die Rückabwicklung automatisiert vornehmen und unmittelbar dem Kundenkonto zuordnen
  • bei einer Widerrufserklärung per Post, E-Mail oder Telefax müsste Unternehmer diese händisch erfassen
  • Verbraucher erhält sogleich die Bestätigung des Eingangs (Verbraucher ist für rechtzeitige Erklärung des Widerrufs beweisbelastet)

VI. Zur Ausübung des Widerrufs

1. Form der Widerrufserklärung

  • Entsprechend der Neuregelung des § 355 Absatz 1 BGB n.F. erfolgt Widerruf künftig durch Erklärung gegenüber Unternehmer
  • aus Erklärung muss Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen
  • kommentarlose Rücksendung der Ware an den Unternehmer ist für Ausübung des Widerrufsrechts nicht mehr ausreichend.
  • Widerruf muss nicht mehr in Textform (z. B. per Brief, Fax, E-Mail) erklärt werden, § 355 Absatz 1 BGB n. F.
  • grundsätzlich würde Anruf beim Unternehmer mit der entsprechenden Erklärung ausreichen
  • weiterhin keine Begründung notwendig

2. Ausübung des Widerrufs durch den Verbraucher

  • möglich: durch Zusendung eines ausgefülltenMuster-Widerrufsformulars (z. B. per Brief, Fax, E-Mail) an den Unternehmer
  • soweit auf der Webseite des Unternehmers vorhanden, durch Ausfüllen und Übersenden des elektronischen Muster-Widerrufsformulars
  • durch entsprechende andere Erklärung (in beliebiger anderer Form), aus der der Entschluss zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgeht
  • telefonischer Widerruf zwar möglich, Nachweis dessen jedoch für den beweisbelasteten Verbraucher nur schwer zu erbringen
  • Verwendung der elektronischen Variante des Muster-Widerrufsformulars ist sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmer am günstigsten
  • Durch Einbinden eines elektronischen Widerrufsformulars auf der Webseite kann eine automatisierte Rückabwicklung vorgenommen werden
  • Verbraucher, die für rechtzeitige Erklärung des Widerrufs beweisbelastet sind, erhalten sogleich Bestätigung des Eingangs

3. Widerrufsfrist

Jetzt: Einheitliche Widerrufsfrist: 14 Tage vgl. § 355 Absatz 2 BGB n. F. Damit wird Artikel 9 der Verbraucherrechterichtlinie umgesetzt. Zuvor war die Dauer der Widerrufsfrist an den Erhalt der Widerrufsbelehrung geknüpft und konnte demnach 14 Tage, einen Monat oder 6 Monate betragen.

Das „unendliche Widerrufsrecht“ wegen unterbliebener oder fehlerhafter Belehrung entfällt. Nach § 356 II BGB n.F. beträgt die Widerrufsfrist in diesem Falle grundsätzlich 12 Monate und 14 Tage (siehe Punkt IV.)

a) Fristbeginn

  • grundsätzlich mit Vertragsschluss, vgl. § 355 Absatz 2 BGB n.F; § 356 Absatz 2 Nr. 2 BGB n.F. (bei Dienstleistungen und beim Kauf digitaler Inhalte)
  • abweichend davon beginnt Widerrufsfrist beim Verkauf von Waren (Verbrauchsgüterkauf) im Fernabsatz (z.B. Kauf über den Online-Shop) nach § 356 BGB n.F. Der Fristbeginn richtet sich hier nach dem Erhalt der Ware, wobei wiederum zwischen Einzelwaren, Teilwaren und regelmäßigen Warenlieferungen zu differenzieren ist

(2) Die Widerrufsfrist beginnt

 1.bei einem Verbrauchsgüterkauf,
  a)der nicht unter die Buchstaben b bis d fällt, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die Waren erhalten hat,
  b)bei dem der Verbraucher mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt hat und die Waren getrennt geliefert werden, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Ware erhalten hat,
  c)bei dem die Ware in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert wird, sobald der Verbraucher oder ein vom Verbraucher benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück erhalten hat,
  d)der auf die regelmäßige Lieferung von Waren über einen festgelegten Zeitraum gerichtet ist, sobald der Verbraucher oder ein von ihm benannter Dritter, der nicht Frachtführer ist, die erste Ware erhalten hat,
  • Widerrufsfrist beginnt nicht, bevor der Unternehmer den Verbraucher gem. Artikel 246 a § 1 Abs. 2 Satz 1 Nummer 1 EGBGB n.F. über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat (§ 356 Abs. 3 BGB n.F.)
  • Unternehmer kommt Informationspflicht nach, indem er dem Verbraucher die Widerrufsbelehrung auf der Webseite zur Verfügung stellt und nach Vertragsschluss in Textform übermittelt. (Vgl. Informationspflichten)

b) Fristende

  • Widerrufsrecht endet grundsätzlich 14 Tage nach Beginn der Widerrufsfrist
  • bei fehlerhafter Widerrufsbelehrung: Verlängerung der Widerrufsfristauf maximal12 Monate nach Ablauf der eigentlichen Widerrufsfrist
  • insgesamt mögliche Frist: 12 Monate und 14 Tage
  • das “unendliche Widerrufsrecht” entfällt, § 356 Absatz 3 BGB n.F.
  • bei Nachholung der Belehrung über das Widerrufsrecht innerhalb der 12 Monate beginnt die Widerrufsfrist ab diesem Zeitpunkt

Nicht verwechseln: Ende der Widerrufsfrist und vorzeitiges Erlöschen des Widerrufsrechtes (z.B. wenn eine Dienstleistung vollständig erbracht wurde oder digitale Inhalte verkauft werden

VII. Rechte und Pflichten nach Ausübung des Widerrufsrechts

1. Rücksendepflicht des Verbrauchers

Aus § 357 Abs.1 BGB n.F. ergibt sich: Sofern keine Abholung durch den Unternehmer in der Widerrufsbelehrung formuliert ist, ist der Verbraucher verpflichtet, die Waren ohne unnötige Verzögerung und in jedem Fall spätestens binnen14 Tagenab Widerruf zurückzusenden

  • bei nichtpaketversandfähigen Waren ist Spedition zu beauftragen
  • Rücksendung der Ware in geeigneter Verpackung
  • Verwendung der Originalverpackung ist keine Voraussetzung
  • Kosten der Rücksendung trägt der Verbraucher nur dann, wenn er darüber im Rahmen der Widerrufsbelehrung vom Unternehmer informiert wurde
  • Gefahr des Verlustes oder Beschädigung auf dem Transportweg liegt beim Unternehmer
  • Verpflichtung entfällt nach § 357 Abs. 5 BGB n.F, wenn der Unternehmer seinerseits die Abholung der Ware angeboten hat.

2. Rückzahlungsfrist

Kaufpreiserstattung hat unverzüglich, spätestens binnen 14 Tagen ab Widerruf zu erfolgen, § 357 Abs.1 BGB n.F.

Unternehmer kann mit dem Verbraucher aber eine abweichende Vereinbarung treffen, wenn dem Verbraucher dafür keine Kosten entstehen, § 357 Abs. 2 BGB n. F.

  • der Unternehmer muss Rückzahlung unter Verwendung desselben Zahlungsmittels vornehmen, das vom Verbraucher bei der ursprünglichen Transaktion eingesetzt wurde, z.B. ist eine Überweisung auch durch eine Überweisung zurückzuerstatten, § 357 Absatz 3 BGB n.F.
  • bei Zahlung per Lastschrift ist das Geld wieder zurück zu überweisen, da Lastschriftermächtigung für Verbraucher zu umständlich ist.
  • in Bezug auf Rückzahlung des Betrages sind abweichende individuelle Vereinbarungen möglich (nicht in den AGB, da diese gerade nicht individuell)
  • Rückzahlungspflicht umfasst auch Standard-Hinsendekosten
  • Ausgeschlossen ist lediglich die Rückzahlung von Mehrkosten, die auf Wunsch des Verbrauchers entstanden sind, z.B. Kosten für eine Express-Lieferung.

3. Unternehmer trägt die Lieferkosten

  • Verpflichtung ist in § 357 Abs. 2 BGB n.F. gesetzlich geregelt: Unternehmer hat gesetzlich die Kosten der Lieferung zu erstatten
  • gilt nur bis zur Höhe einer günstigen Standardlieferung. Soweit der Verbraucher teurere Versandarten wie Express-Lieferung usw. beim Kauf gewählt hatte, trägt er die Differenz zu den Kosten der Standardlieferung.
  • gemäß §357IIIBGBnF hat die Rückerstattung der Lieferkosten grundsätzlich mit demselben Zahlungsmittel zu erfolgen, das der Verbraucher selbst bei der Zahlung verwendet hat. Damit soll ausgeschlossen werden, dass der Unternehmer anstelle der zuvor gewählten Zahlungsart lediglich Gutscheine ausstellt
  • sofern dem Verbraucher keine Zusatzkosten entstehen kann von dieser Regelung vertraglich abgewichen werden

4. Verbraucher oder der Unternehmer tragen die Rücksendekosten

  • nach § 357 Abs. 6 BGB n. F. trägt grundsätzlich der Verbraucher die Kosten der Rücksendung, wenn der Unternehmer den Verbraucher entsprechend vorab unterrichtet hat und der Unternehmer sich nicht bereit erklärt hat, diese Kosten zu übernehmen
  • „40-EUR-Klausel“ (‚Auferlegen der Rücksendekosten bis zu einem Warenwert von 40,00 EUR) entfällt
  • bei Rücksendekosten kommt es nicht mehr darauf an, welchen Warenwert der Artikel hat
  • das neue Muster der Widerrufsbelehrung sieht dort vor, dass Unternehmer eine Entscheidung über die Rücksendekosten treffen und den Verbraucher entsprechend belehren muss

5. Zurückbehaltungsrecht

a) Allgemeines

  • Rückgewährpflicht ergibt sich nicht „Zug-um-Zug“, d.h. Widerruf und Rücksendung müssen und können nicht gleichzeitig erfolgen
  • Verbraucher ist vorleistungspflichtig, d.h. er muss erst einen Widerruf erklären
  • Unternehmer darf die Rückzahlung anschließend so lange verweigern, bis er die Waren zurückerhalten hat oder der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Waren abgesandt hat (z.B. durch Einlieferungsbeleg), § 357 Abs.4 BGB n.F.

b) Beweislast

  • Unternehmer muss alle Tatsachen beweisen, aus denen er die Nichteinhaltung der Widerrufsfrist herleiten will, insbesondere die Verwendung und Übersendung einer ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung.
  • Verbraucher trägt die Beweislast für seinen Widerruf (inhaltlich, rechtzeitige Absendung und Zugang des Widerrufs).

6. Wertersatz im Widerrufsfall

Widerrufsrecht wird nicht generell bei Benutzung des Artikels ausgeschlossen

Folge: Verbraucher darf Produkte „testen“ wie beim stationären Handel

  • der Verbraucher kann – außer bei Vorliegen einesAusschluss- und Erlöschengrundes- weiterhin sein Widerrufsrecht ausüben.
  • bei Widerruf stellt sich dann Frage des Wertersatzes:

a) Wertersatz bei Waren

Neue Rechtslage: Verbraucher soll Unternehmer nur noch einen Wertersatz für einen Wertverlust der Ware leisten

– keine Abgrenzung zwischen Wertminderung und Verschlechterung

Wortlaut der neuen Regelung:

§ 357 Absatz 7 BGB n.F.:

(7) Der Verbraucher hat Wertersatz für einen Wertverlust der Ware zu leisten, wenn

 1.der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war, und
 2.der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel246a§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche über sein Widerrufsrecht unterrichtet hat.
  • Beurteilung nach „Ob“ des Wertersatzes und der Höhe des Wertersatzes ist im Einzelfall zu entscheiden
  • insbesondere ist zu entscheiden, wann eine über die Prüfung hinausgehende Verwendung der Ware vorliegt, die zum Wertersatz berechtigt

b) Wertersatz bei Dienstleistungen

§ 357 Absatz 8 n.F.:

(8) Widerruft der Verbraucher einen Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen oder über die Lieferung von Wasser, Gas oder Strom in nicht bestimmten Mengen oder nicht begrenztem Volumen oder über die Lieferung von Fernwärme, so schuldet der Verbraucher dem Unternehmer Wertersatz für die bis zum Widerruf erbrachte Leistung, wenn der Verbraucher von dem Unternehmer ausdrücklich verlangt hat, dass dieser mit der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Der Anspruch aus Satz 1 besteht nur, wenn der Unternehmer den Verbraucher nach Artikel246a§ 1 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 und 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche ordnungsgemäß informiert hat. Bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen besteht der Anspruch nach Satz 1 nur dann, wenn der Verbraucher sein Verlangen nach Satz 1 auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt hat. Bei der Berechnung des Wertersatzes ist der vereinbarte Gesamtpreis zu Grunde zu legen. Ist der vereinbarte Gesamtpreis unverhältnismäßig hoch, ist der Wertersatz auf der Grundlage des Marktwerts der erbrachten Leistung zu berechnen.

(aa) Voraussetzung für Wertersatz: ausdrückliches „Leistungsverlangen“ des Verbrauchers (Früher: bloße Zustimmung zur Lieferung schon innerhalb der Widerrufsfrist)

  • Verbraucher muss ausdrücklich verlangt haben, dass der Unternehmer vor Ende der Widerrufsfrist mit der Leistungserbringung beginnt
  • Leistungsverlangen kann nicht durch AGB fingiert werden
  • Unternehmer muss Verbraucher ordnungsgemäß über Folgendes informieren:
  1. Über die Bedingungen, die Fristen und das Verfahren für die Ausübung des Widerrufsrechts sowie das Muster-Widerrufsformular
  2. darüber, dass der Verbraucher dem Unternehmer bei einem Vertrag über die Erbringung von Dienstleistungen, einen angemessenen Betrag für die vom Unternehmer erbrachte Leistung schuldet, wenn der Verbraucher das Widerrufsrecht ausübt, nachdem er auf Aufforderung des Unternehmers von diesem ausdrücklich den Beginn der Leistung vor Ablauf der Widerrufsfrist verlangt hat.

(Erfüllung der Informationspflichten durch Vorhalten einer vollständigen Widerrufsbelehrung im Shop und Möglichkeit zur Kenntnisnahme vor Vertragsschluss)

Beispielmuster zur Zustimmung zum Beginn der Ausführung des Vertrages und Bestätigung der Kenntnisnahme über Verlust des Widerrufsrechts:
□ Ich stimme ausdrücklich zu, dass Sie vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Ausführung des Vertrages beginnen. Mir ist bekannt, dass ich durch diese Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrages mein Widerrufsrecht verliere.

(bb) Beweislast

  • Unternehmer muss ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers beweisen, (ggf. deren Übermittlung auf einem dauerhaften Datenträger, die ordnungsgemäße Belehrung und den Umfang der Leistungserbringung)
  • ausdrückliches Leistungsverlangen sowie die Bestätigung der Kenntnisnahme der Belehrung kann bspw. mit Abhaken einer Bestätigung („Opt-in“) realisiert werden

(cc) Berechnung des Wertersatzes

  • Zugrundezulegen ist der vereinbarte Gesamtpreis und nicht der objektive
  • Bei Unverhältnismäßigkeit à üblicher Marktwert
  • gesetzliches Widerrufsrecht auch beim Kauf digitaler Inhalte auf nichtkörperlichen Datenträgern

b) Wertersatz bei digitalen Inhalten auf einem nichtkörperlichen Datenträger

  • Unternehmer kann das eingeräumte Widerrufsrecht jedoch durch bestimmte gesetzlich vorgegebene Maßnahmen wieder zum Erlöschen bringen
  • Widerruft Verbraucher Vertrag über die Lieferung von nicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhalten, so hat er keinen Wertersatz zu leisten, 357 Absatz 9 BGB n.F. Konnte der Online-Händler das Widerrufsrecht also nicht zum Erlöschen bringen, verbleibt es beim regulären Widerrufsrecht.

Konsequenz: Verbraucher könnten die digitalen Inhalte auf einem nicht körperlichen Datenträger erwerben und nach vollständigem Download (z.B. Herunterladen und sogar Lesen des E-Books, Streamen von Inhalten) trotzdem ein Widerrufsrecht ausüben. Widerruft der Verbraucher in einem solchen Fall, so hat er nach § 357 Absatz 9 BGB n.F. trotzdem keinen Wertersatz zu leisten.

Problem: zwar muss das Geld zurückgezahlt werden, der Unternehmer erhält jedoch keinen Wertersatz für die Nutzung des digitalen Inhaltes

De facto hat Unternehmer seine Ware „verschenkt“

Lösungsvorschlag:

  • Unternehmer sollte sich die Zustimmung und Bestätigung der Kenntnisnahme zum Erlöschen der Widerrufsfrist unbedingt verschaffen, denn auf andere Weise erlischt das Widerrufsrecht nicht
  • Die Zustimmung zum Beginn der Vertragsausführung schon innerhalb der Widerrufsfrist und die Bestätigung der Kenntnisnahme sollte schon auf der Bestellseite abgefragt werden
  • Der Text muss vom Verbraucher bestätigt werden (z.B. in Form einer nicht vorangekreuzten Checkbox oder indem man den Registrierungslink mit einem entsprechenden Hinweis versieht)
  • Beachte: Text sollte nicht mit anderen Texten – wie z.B. der Bestätigung der Kenntnisnahme von AGB oder Widerrufsbelehrung verknüpft werden

VII. Vertiefung: Digitale Inhalte

Neu ist, dass das Fernabsatzrecht nun zwischen Waren, Dienstleistungen und digitalen Inhalten unterscheidet. „Digitale Inhalte“ sind Daten, die digital hergestellt und bereitgestellt werden. Unter digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, fallen Software-, Musik- und Video-Downloads (auch Streaming), Dateien, die per Mail verschickt werden, Apps, Online-Games oder eBooks.

Bei Verträgen über digitale Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden, gilt:

  • grundsätzliche Widerrufsfrist: 14 Tage
  • Fristbeginn: Frist beginnt am Tag des Vertragsschlusses zu laufen

1. Widerrufsrecht eingeführt

Früher: keine explizite gesetzliche Regelung zum Widerrufsrecht beim Verkauf von digitalen Waren auf nichtkörperlichen Datenträgern

-[gt] Widerrufsrecht verneint

  • wenn der digitale Inhalt auf dem nichtkörperlichen Datenträger zur Verfügung gestellt wurde (§ 312 d Absatz 4 Nr. 1 Alt. 3 BGB alte Fassung) nahm man den gesetzlichen Ausschlusstatbestand „auf Grund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet“ an
  • dieser Ausschlusstatbestand ist entfallen
  • Verbrauchern steht jetzt beim Kauf digitaler Inhalte auf nichtkörperlichen Datenträgern ein gesetzliches Widerrufsrecht zu

2. Beginn der Widerrufsfrist

  • Verkauf digitaler Inhalte auf körperlichenDatenträgern wie auf CD oder DVD wird als regulärer Warenverkauf betrachtet (vgl. auch Erwägungsgrund 19 der Verbraucherrechterichtlinie)
  • Widerrufsfrist beginnt mit der Lieferung der Sache, § 356 Absatz 2 Nr. 1 BGB n.F.

Rechtlich lässt sich der Verkauf digitaler Inhalte, die nicht auf einem körperlichen Datenträger bereitgestellt werden, weder als Kaufvertrag noch als Dienstleistungsvertrag einordnen.

Konsequenz: Kauf von digitalen Inhalten auf nichtkörperlichen Datenträgern kann auch nicht als Verbrauchsgüterkauf eingeordnet werden

Folge: Widerrufsrist beginnt schon mit Vertragsschluss, vgl. § 356 Absatz 2 Nr. 2 BGB n.F.

3. Erlöschen des Widerrufsrechtes

Der Online-Händler kann das eingeräumte Widerrufsrecht jedoch durch bestimmte gesetzlich vorgegebene Maßnahmen wieder zum Erlöschen bringen.

§ 356 Absatz 5 BGB n.F. regelt hierzu wie folgt:

„Das Widerrufsrecht erlischt bei einem Vertrag über die Lieferung vonnicht auf einem körperlichen Datenträger befindlichen digitalen Inhaltenauch dann, wenn der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags begonnen hat, nachdem der Verbraucher

  1. ausdrücklich zugestimmt hat, dass der Unternehmer mit der Ausführung des Vertrags vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt und
  2. seine Kenntnis davon bestätigt hat, dass er durch seine Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrags sein Widerrufsrecht verliert.“

Quellen:

Recht auf Vergessenwerden: Das „Google-Urteil“ des EuGH

EuGH-Urteil, Rechtssache C‑131/12, Google Spain SL, Google Inc. ./. Agencia Española de Protección de Datos (AEPD), Mario Costeja González

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 13. Mai 2014 festgestellt, dass die Einbeziehung von Links in Suchergebnissen von Google unzulässig sein kann, wenn sich herausstellt, dass die dort abrufbaren Informationen nicht oder nicht mehr erheblich sind. In diesem Fall müssen die betreffenden Informationen und Links von Google aus der Ergebnisliste gelöscht werden. Was beinhaltet das Urteil, gibt es tatsächlich ein allgemeines „Recht auf Vergessenwerden“ und welche Auswirkungen hat das Urteil auf die Praxis?

Grundlage des Urteils

Der Betroffene, ein spanischer Staatsbürger, hatte vor sechzehn Jahren finanzielle Probleme. Wer ihn googelte, stieß nach wie vor auf eine damals angekündigte Zwangsversteigerung seiner Immobilie. Der Spanier wollte die Auffindbarkeit solcher Bekanntmachungen über die damals anstehende Zwangsversteigerung nicht länger hinnehmen und wandte sich deshalb an die spanische Datenschutzagentur AEPD. Diese ging zwar nicht gegen die nach wie vor abrufbare Ankündigung der Zwangsversteigerung vor, untersagte jedoch Google, Informationen und Links zur angekündigten Zwangsversteigerung länger in den Suchergebnissen bereitzuhalten. Google wehrte sich gerichtlich gegen diese Untersagung; das Verfahren ging bis zum EuGH und ist auch noch nicht abgeschlossen. Der EuGH bejahte – für die meisten Juristen durchaus erstaunlich – sowohl die Anwendbarkeit europäischen Datenschutzrechts als auch die Möglichkeit, von Google die Löschung der Inhalte über den Betroffenen aus den Suchergebnissen zu verlangen.

Informationsinteresse kontra Persönlichkeitsrechte

 

Im Presserecht wird bei Berichterstattungen über Straftaten bereits seit Jahrzehnten eine Abwägung zwischen dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit und den Persönlichkeitsrechten des Einzelnen vorgenommen. Wird z.B. ein Straftäter wegen einer schwerwiegenden Straftat zu einer Haftstrafe verurteilt, muss er es in der Regel hinnehmen, dass die Presse über ihn namentlich berichtet. Anders kann dies aber bei seiner Haftentlassung oder Jahre danach sein. Hier ist auch der Gedanke der Resozialisierung zu berücksichtigen, d.h. je länger die Verurteilung zurückliegt, desto mehr setzt sich das Recht des Betroffenen auf Anonymität wieder durch und er hat unter Umständen einen Anspruch darauf „in Ruhe gelassen zu werden“.

 

Dieser Gedanke wurde in den letzten Jahren im Zuge der Digitalisierung und der damit verbundenen Zunahme der Verarbeitung personenbezogener Daten im Datenschutzrecht aufgegriffen, als sich zumindest in Europa die These durchsetzte: „Das Internet vergisst nichtdagegen müssen wir etwas tun“. Im Zuge des Entwurfs eines neuen europäischen Datenschutzrechts in 2011 (sogenannte EU-Datenschutzgrundverordnung) wurde erstmals ein „Recht auf Vergessenwerden“ (im Englischen: „right to be forgotten“) aufgenommen. Wie weit dies reichen sollte und ob ein solches Recht überhaupt umsetzbar ist, war jedoch von Angang an umstritten, zumal die Löschung eines Beitrags nicht zwangsläufig bedeutet, dass die darin enthaltenen Inhalte im Internet tatsächlich nicht mehr auffindbar sind.

Die angedachte EU-Datenschutzgrundverordnung ist bis heute noch nicht in Kraft und der letzte Entwurf aus 2013 enthält auch gar kein explizites „Recht auf Vergessenwerden“ mehr. Umso erstaunlicher ist es, dass der EuGH ein solches Recht nun aus der bereits bestehenden EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 abgeleitet hat. Dort ist in gewissen Fällen ein Widerspruchsrecht gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten enthalten. Allerdings gilt dies nur für Fälle, in denen die betroffene Person tatsächlich überwiegende schutzwürdige Interessen vorbringen kann. Daraus hat das Gericht nun abgeleitet, dass zumindest bei sensiblen Informationen, deren Veröffentlichung bereits Jahre zurückliegt, der Betroffene ein Recht darauf haben kann, dass diese Informationen nicht mehr durch Ergebnislisten von Suchmaschinen mit seinem Namen verknüpft werden. Insoweit wurde tatsächlich ein datenschutzrechtliches Recht auf Vergessenwerden durch Suchmaschinenbetreiber bejaht.

Auswirkungen auf die Praxis

Das Urteil ist ein Paukenschlag, stellt das Gericht in seinem Grundsatzurteil doch den Schutz der Persönlichkeitsrechte sehr deutlich über das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen. Bislang galt unter Medienanwälten in Bezug auf Suchmaschinen überwiegend die Annahme, dass Verpflichtungen zur Löschung von Suchbeiträgen eher unverhältnismäßig und daher gerichtlich schwer durchsetzbar sind. Insoweit hat der EuGH mit seiner Entscheidung tatsächlich ein Tor aufgestoßen. Die bei Suchmaschinenbetreibern eingereichten Löschungsanträge und darauf folgende Klagen dürften nun immens zunehmen. So wurde nach Online-Freischaltung eines Löschungsantrags durch Google am 30.05.2014 bereits berichtet, dass binnen einer Woche mehr als 40.000 Löschungsanträge eingingen.

Andererseits darf die EuGH-Entscheidung nicht überbewertet werden. Das Urteil besagt keineswegs, dass Suchmaschinenbetreiber nun ohne Einzelfallprüfung Löschungsanträgen einzelner Personen Folge leisten müssen. Vielmehr betonen die Richter am Ende des Urteils auch, dass die getroffene Wertung insbesondere bei Personen des öffentlichen Lebens durchaus anders ausfallen kann, sofern ein überwiegendes Interesse der breiten Öffentlichkeit besteht. Ein Freibrief zur Zensur dürfte das Urteil daher aus unserer Sicht keineswegs sein. Spannend wird nun insbesondere die Frage, ob die Wertung des EuGH künftig von nationalen Gerichten auch auf andere Anbieter als Suchmaschinenbetreiber, z.B. Social-Media-Plattformen oder dergleichen, übertragen wird. Zumindest bei Online-Archiven von Zeitungsunternehmen hatte der Bundesgerichtshof bislang in einigen Entscheidungen geurteilt, dass erkennbare Altmeldungen auch Jahre später noch im Archiv bereitgehalten und damit abrufbar bleiben dürfen.

Werbung mit Patenten

Was ist zu beachten?

Patente dienen der rechtlichen Absicherung einer technischen Erfindung. Der Erfinder kann aus einem eingetragenen Patent jeden Dritten von der Benutzung der Erfindung ausschließen, solange das Patent gültig ist. Damit wird dem Patentinhaber ein Instrument gegeben, damit er die Erfindung angemessen wirtschaftlich verwerten kann. Patente verdeutlichen außerdem die Innovationskraft eines Unternehmens und werden daher umfassend in der Werbung für ein Produkt eingesetzt. Nicht immer entspricht jedoch die Werbeaussage der tatsächlichen Schutzrechtssituation. In der unzutreffenden Werbeaussage zum Patentschutz kann eine wettbewerbswidrige geschäftliche Handlung liegen, die vom Konkurrenten abgemahnt werden kann.

I. Wettbewerbswidrigkeit irreführender Aussagen

Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt einerseits den funktionsfähigen Wettbewerb und andererseits die Unternehmen vor Mitbewerbern, die sich einen Vorsprung durch unlautere Wettbewerbshandlungen verschaffen. In § 5 UWG ist das Irreführungsverbot verankert. Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt. Nach Satz 2 ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie unwahre oder zur Täuschung geeignete Angaben enthält. Die irreführenden Angaben werden sodann in den Nummern 1 bis 7 des § 5 Abs. 1 UWG konkretisiert. Danach sind unter Anderem irreführende Angaben über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie zum Beispiel die Beschaffenheit wettbewerbswidrig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG). Weiter sind irreführende Angaben über die Eigenschaften des Unternehmens einschließlich der Rechte des geistigen Eigentums wettbewerbswidrig (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG). In diese Fallgruppen können falsche Angaben bei der Werbung mit Patenten eingeordnet werden.

II. Irreführung über den Bestand eines Patents

Wenn eine Ware oder Dienstleistung mit einem Patent beworben wird, müssen die werbenden Angaben der Wahrheit entsprechen. Der Hinweis „gesetzlich geschützt“ oder „geschützt“ wird als Hinweis auf ein bestehendes Patent verstanden. Das Patent muss eingetragen sein und darf nicht abgelaufen sein. Angaben wie „patentiert“ beziehen sich nur auf ein Patent, nicht dagegen auf ein Gebrauchsmuster oder gar Geschmacksmuster. Diese werden zwar auch beim Patentamt eingetragen. Beim Gebrauchsmuster handelt es sich ebenfalls um ein Schutzrecht, das eine technische Erfindung betrifft. Allerdings wird ein Gebrauchsmuster nicht wie ein Patent auf die Schutzfähigkeit – Vorliegen von Neuheit, erfinderischer Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit – geprüft. Die Wertigkeit eines Gebrauchsmusters ist daher zunächst etwas niedriger einzuschätzen. Daher wurde die Werbung mit dem Hinweis „patentamtlich geschützt“, obwohl „nur“ ein Gebrauchsmuster bestand, als wettbewerbswidrig angesehen (OLG München, NJWE-WettbR 1997, 37). Dies gilt umso mehr für ein Geschmacksmuster, welches das Design eines Produktes schützt, nicht aber eine darin enthaltene Technik. Schwierig ist die Beurteilung der Werbung mit einer Patentanmeldung. Da zwischen Anmeldung und Erteilung mehrere Jahre liegen können, besteht ein Bedürfnis, auf eine Patentanmeldung werbend hinzuweisen. Es wird unterschieden zwischen der noch nicht offengelegten Anmeldung und der offengelegten Anmeldung. Eine Patentanmeldung wird nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 Patentgesetz spätestens 18 Monate nach Einreichung offengelegt, das heißt, sie ist für jedermann im Register einsehbar. Da jedermann somit Kenntnis von der Anmeldung haben kann, können dem Anmelder, der später das Patent erhält, nach § 33 Patentgesetz ab diesem Zeitpunkt schon Entschädigungsansprüche gegen einen Verletzer zustehen. Daher wird bei der Werbung mit der Anmeldung bei einer offengelegten Anmeldung keine Irreführung angenommen, während die nicht offengelegte Anmeldung nicht werblich genutzt werden darf. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn der Werbende darauf hinweist, dass die Anmeldung noch nicht offengelegt wurde, er also keine Ansprüche herleiten kann, was aber praktisch wegen des geringen Werbewertes wohl selten vorkommen dürfte.

III. Umfang des Patents

Häufig bezieht sich ein Patent nur auf einen bestimmten Teil eines Produktes, also auf ein technisches Detail einer ganzen Maschine beispielsweise. Wirbt der Patentinhaber aber mit dem Hinweis „patentiert“ für das gesamte Produkt, so liegt darin eine Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG. Dagegen ist der Hinweis nicht irreführend, wenn die patentierten Teile die prägenden Teile des Produktes sind.

IV. Reichweite des Patentes

Schutzrechte sind territorial begrenzt. Ein in Deutschland erteiltes Patent verliert also an der Grenze seine Wirkung. Umgekehrt gilt, dass ein Produkt, das nur im Ausland patentiert ist, in Deutschland nicht mit diesem Hinweis beworben werden darf. Vertreibt also ein deutsches Händlerunternehmen ein Produkt eines amerikanischen Herstellers, der dieses mit „patented“ als Hinweis auf ein bestehendes US-Patent bewirbt, darf dieser Hinweis nicht vom deutschen Händler verwendet werden. Auch der englischsprachige Hinweis „Patented“ wird vom deutschen Verbraucher als Hinweis auf ein neben dem US-Patent bestehendes deutsches Patent verstanden (BGH GRUR 1984, 741 – PATENTED).

V. Fazit

Besteht ein Patent, kann ein Produkt als technisch besser und innovativer als die Konkurrenzprodukte beworben werden. Dem Patentinhaber soll auch die Möglichkeit gegeben werden, seinen Vorsprung vor den Wettbewerbern werblich auszunutzen. Hierbei ist aber Vorsicht geboten. Die Angaben müssen der Wahrheit entsprechen. Der Werbende muss die Werbung sorgfältig prüfen. Macht er aus Fahrlässigkeit bei der Werbung einen Fehler der genannten Art, kann eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG vorliegen. Die Werbung ist dann wettbewerbswidrig und kann von jedem Mittbewerber abgemahnt werden. Neben Unterlassungsansprüchen stehen dem Mitbewerber dann auch Schadensersatzansprüche gegen den Werbenden zu. Der Werbende muss darüber hinaus Auskunft über den Umfang seiner Werbemaßnahme erteilen und eventuell Kataloge und dergleichen vernichten.

Kündigung per E-Mail bei Internetportalen wirksam

LG München, Urt. v. 30.01.2014 – Az. 12 O 1857/13: Internetportale müssen digitale Kündigung zulassen

In einer für Internetportale aufschlussreichen Entscheidung hat das LG München festgestellt, dass die Anforderungen an eine Kündigung des Nutzungsvertrages des Portals nicht zu hoch sein dürfen. Insbesondere das Erfordernis einer schriftlichen Kündigung (per Brief oder Fax) mit Pflichtangaben sei nicht zulässig. Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), die ein solches Schriftformerfordernis aufstellen, seien unwirksam. Kunden und Nutzer dürfen vielmehr auch in digitaler Form, also per E-Mail kündigen.

Sachverhalt

In dem besagten Fall vor dem LG München verwendete ein Online-Dating-Portal folgende Klausel in den AGB:

„Die Kündigung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Die elektronische Form ist ausgeschlossen. Die Übersendung per Fax genügt. Die Kündigung muss Benutzername, Kundennummer, Transaktions- bzw. Vorgangsnummer enthalten.“

Eine Anmeldung bzw. Registrierung auf dem Portal war demgegenüber für jeden Nutzer ganz einfach online möglich. Zum Vertragsschluss kam es somit elektronisch.

Gegen die Verwendung dieser Klausel klagte erfolgreich die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V (vzbv).

Rechtliche Bewertung des LG München

Das LG München sah in dem Schriftformerfordernis eine unangemessene Benachteiligung für den Nutzer. Wer seinen Nutzern einen elektronischen Vertragsschluss anbiete, müsse auch eine entsprechende Kündigung akzeptieren. Eine Kündigung per E-Mail sei somit zulässig und die Klausel in den AGB unwirksam.

Des Weiteren stufte das LG München die Pflichtangaben als eine unangemessene Benachteiligung gemäß § 309 Nr. 13 BGB ein. Der Nutzer verstehe die Klausel insoweit, dass die Angabe bestimmter Daten für die Wirksamkeit der Kündigung erforderlich sei. Auf diese Weise werde eine Kündigung unverhältnismäßig erschwert, was nicht zulässig sei.

Fazit

Das Urteil ist bislang noch nicht rechtskräftig, es verfestigt sich jedoch weiterhin eine verbraucherfreundliche Rechtsprechung. In vielen AGB von Internetportalen lassen sich dessen ungeachtet noch immer besondere Schriftformerfordernisse oder die Pflicht zur Angabe bestimmter Daten bzgl. der Kündigung finden. Es muss insofern empfohlen werden, die eigenen AGB zu überprüfen und diese ggf. entsprechend der Vorgaben des LG München anzupassen.

Verbraucherverbände klagen regelmäßig gegen solche Rechtsverstöße in AGB und diese Verfahren werden öffentlich. Auf diese Weise kann ein erheblicher Imageschaden drohen. Eine Anpassung der AGB ist somit nicht nur im Sinne der Verbraucher, sondern auch für die Betreiber der Internetportale von besonderer Bedeutung.

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