Die Telematikinfrastruktur – der Grundstein für die Digitalisierung im Gesundheitswesen

Kaum ein anderer Sektor kann derart von den Chancen der Digitalisierung profitieren wie der Gesundheitssektor. Neue digitale Technologien steigern die Versorgungsqualität und verbessern damit qualitativ die Behandlungsleistungen von Patient:innen, unter anderem in Krankenhäusern. Doch die Digitalisierung kommt nicht nur Patient:innen zugute – Beschäftigte im Gesundheitswesen profitieren von vereinfachten Arbeitsabläufen und geringerem administrativem Aufwand. Daneben steht auch der monetäre Aspekt, insbesondere mit Blick auf die zusehends steigenden Gesundheitsausgaben. In diesem Zusammenhang lässt die Digitalisierung im Gesundheitswesen laut einer neuen Studie von McKinsey ein Nutzungspotential von ca. 42 Mrd. € verzeichnen. Um all diese Potentiale zu realisieren, gilt derzeit die Aufmerksamkeit dem bisher größten IT-Projekt Europas: dem Aus- und Umbau der Telematikinfrastruktur (TI). Die TI gilt als Schlüssel innovativer Gesundheitsversorgung und zielt darauf ab, ein digitales Gesundheitswesen der Zukunft zu schaffen. In diesem Beitrag geben wir einen Überblick über die Chancen, Herausforderungen und Potentiale der TI für den Gesundheitssektor.

Health and Law zum Thema KI im Gesundheitswesen

Die TI als Basis der Digitalisierung im Gesundheitswesen

Was ist die TI?

Die TI ist die zentrale Infrastruktur für Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen. In der TI können sich verschiedenste Akteure des Gesundheitssektors wie beispielsweise Kliniken, Arztpraxen, Apotheken und Patient:innen vernetzen, wobei die TI als Plattform für Gesundheitsanwendungen fungiert. Zweck ist es, sensible Gesundheitsdaten über ein standardisiertes System zwischen den Akteuren auszutauschen. Als einheitliche, sektorenübergreifende Plattform ermöglicht sie die elektronische Kommunikation zwischen Krankenhäusern, Apotheken & Co. Zum Teil wird die TI auch als „Datenautobahn des Gesundheitswesens“ bezeichnet und ist somit das Kernelement für die Digitalisierung im Gesundheitswesen. Gem. § 306 Abs. 1 Satz 2 SGB V (Sozialgesetzbuch fünftes Buch) ist die TI „die interoperable und kompatible Informations-, Kommunikations- und Sicherheitsinfrastruktur, die der Vernetzung von Leistungserbringern, Kostenträgern, Versicherten und weiteren Akteuren des Gesundheitswesens sowie der Rehabilitation und der Pflege dient (…).“.

Ein weiteres Gesetz, das die umfassende Digitalisierung im Gesundheitswesen fördern soll, ist das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG). Als Förderprogramm zur Finanzierung von IT-Projekten dient es der hauseigenen Digitalisierung von Krankenhäusern. Unter den förderfähigen Vorhaben finden sich unter anderem einige Anwendungen, die auch in der TI eine große Rolle spielen, wie etwa digitale Patientenportale. Wie das Krankenhauszukunftsgesetz zur Digitalisierung der Krankenhäuser beiträgt, haben wir für Sie hier auf unserem Blog beleuchtet.

Wie wird die TI betrieben?

Die Aufgabe, die TI einzurichten, aus- und umzubauen, wurde der gematik, der Nationalen Agentur für Digitale Medizin, übertragen. Ihr kommt die Aufgabe zu, eine zeitgemäße technische Infrastruktur für das Gesundheitswesen aufzubauen, zu betreiben und weiterzuentwickeln. Die gematik trägt damit die Gesamtverantwortung für die TI. Die konkrete Aufgabenzuweisung und Zusammensetzung der gematik ist im SGB V geregelt.

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Um eine entsprechende Usability zu erreichen, werden alle Akteure, die mit der TI arbeiten, in den Prozess der Digitalisierung miteinbezogen. Dafür führt die gematik verschiedene Marktstudien durch und steht im ständigen Dialog mit den Nutzer:innen. Anhand der daraus resultierenden Ergebnisse erarbeitet die gematik Standards, auf Basis derer zugelassene IT-Unternehmen entsprechende Komponenten und Dienste, die in der TI verfügbar sein sollen, erarbeiten und dafür regelmäßig Updates bereitstellen.

Die TI zeichnet sich insbesondere durch

  • Interoperabilität und Kompatibilität,
  • Datensicherheit,
  • Datenschutz und
  • Nutzerfreundlichkeit aus.

Die Ziele der TI

Das Hauptziel, das durch die TI erreicht werden soll, liegt in der Vernetzung der Anwender:innen mit der und durch die TI. Dadurch soll der Informationsaustausch zwischen den Berufsgruppen im Gesundheitswesen und den Patient:innen erleichtert werden.

Außerdem soll ein Wandel des Point of Care stattfinden, der sich weg von Praxen und Kliniken und hin zum Patienten, mit Fokus auf die personalisierte Betreuung und Behandlung von Patient:innen, entwickeln und damit einen ganzheitlichen Ansatz für die Patientenversorgung verwirklichen soll.

Elemente und Anwendungen der TI

  • Die elektronische Gesundheitskarte (eGK)
    Bereits seit 2015 dient die eGK als ausschließlicher Berechtigungsnachweis für die Inanspruchnahme und Abrechnung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Die eGK kann neben administrativen Daten wie Name, Geburtsdatum und Anschrift, auch Notfalldaten oder Medikationspläne enthalten, auf die bei Bedarf zugegriffen werden kann. Im Zusammenspiel mit der TI sollen mittels der eGK ärztliche Verordnungen übermittelt, der Zugriff auf Notfalldaten gewährt sowie Impfinformationen, Medikationspläne und Befunde bereitgestellt werden können.
  • Die elektronische Patientenakte (ePA)
    In der ePA können Versicherte relevante medizinische Informationen zur Verfügung stellen, um dadurch die Informationslage der an der Behandlung beteiligten Akteure zu verbessern. Die ePA ist damit eine Art zentraler digitaler Speicher aller gesundheitsrelevanten Informationen, die bisher an unterschiedlichen Orten durch Praxen oder Krankenhäuser abgelegt sind und gibt einen Überblick über die Krankengeschichte des jeweiligen Patienten. Sie ist eine patientengeführte Akte und ermöglicht damit Patient:innen selbst zu entscheiden, ob sie diese nutzen und wie sie die Akte verwalten wollen. Davon umfasst ist auch die Entscheidung darüber, welche Dokumente in der ePA abgelegt sind und wann diese gelöscht werden. Seit dem 1. Januar 2021 sind Krankenkassen verpflichtet, eine ePA auf Wunsch des Patienten zur Verfügung zu stellen. Die ePA ist aufgrund ihrer Funktion als zentraler digitaler Speicher die zentrale Anwendung der TI.
    Datenschutzrechtliche Aspekte und weitere Entwicklungsstufen der ePA finden Sie hier auf unserem Blog.
  • Das elektronische Rezept (e-Rezept)
    Hinter dem e-Rezept steht das Konzept, ärztliche Verordnungen digital zu erstellen, zu übermitteln und einlösen zu können. Papiergebundene Prozesse sollen abgelöst werden. Die TI ermöglicht die Digitalisierung von Rezepten und einen einfachen Prozess für Patient:innen, Medikamente zu erhalten. Apotheken sollen durch einfachere Vorgänge bei Medikamentenausgaben profitieren. Ärzt:innen erstellen das Rezept mittels einer Verordnungssoftware und signieren das e-Rezept mittels einer qualifizieren elektronischen Signatur (QES). Das e-Rezept wird dann auf den e-Rezept-Server geladen, auf den durch die e-Rezept-App zugegriffen werden kann. In der Apotheke muss dann nur noch der entsprechende Code gescannt werden und die Medikationsausgabe kann erfolgen. Ohne e-Rezept-App muss das Rezept ausgedruckt werden. In Kombination mit einer Videosprechstunde entfallen durch das e-Rezept auch der Versand oder die Abholung des Rezeptes in der Praxis. Die Einführung der Anwendung des e-Rezepts erfolgt ebenfalls, wie die ePA, in Stufen. Seit dem 1. Januar 2022 müssen Ärzt:innen und Patient:innen das e-Rezept für apothekenpflichtige Arzneimittel verwenden.
  • Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU)
    Eine weitere Anwendung in der TI ist die eAU. Mit der digitalen eAU entfällt der Gang zum Arbeitgeber und zu den Krankenkassen, um über die Arbeitsunfähigkeit zu informieren. Vielmehr kann durch die TI die Übermittlung der eAU an die Adressaten bereits vom Arzt veranlasst werden. Das Praxisverwaltungssystem (PVS) unterstützt Ärzt:innen, die eAU zu versenden. Die Signatur erfolgt ebenfalls als QES. Mit dem PVS können Ärzt:innen die eAU vorbereiten und dann via TI an die Krankenkassen versenden. Letztere leiten die eAU dann an den Arbeitgeber weiter.
  • Das Notfalldatenmanagement (NFDM)
    Das NFDM dient dem schnellen und sicheren Handeln bei einem medizinischen Notfall. Um die richtigen lebensrettenden Maßnahmen einleiten zu können, ist es für Ärzt:innen wesentlich zu wissen, wie es um den Gesundheitszustand des Patienten steht. Der schnelle Zugriff auf Notfalldaten, wie diagnostizierte Krankheiten, Allergien, Medikamenteneinnahmen etc., kann dabei lebensbedrohliche Wechselwirkungen von Arzneimitteln oder ähnliches verhindern. Notfalldaten sind auf der eGK gespeichert, um den schnellen Zugriff auf relevante medizinische Informationen für Ärzt:innen zu gewährleisten. In einer Notfallsituation sind Ärzte, Psychotherapeuten und andere Beschäftigte im Gesundheitswesen dann in der Regel auch ohne Einwilligung der betroffenen Person dazu berechtigt, den Datensatz auszulesen. Zugriffe sollten immer dokumentiert werden.
  • Digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA)
    DiGAs sind digitale Medizinprodukte und werden häufig als „App auf Rezept“ bezeichnet. Sie dienen der Diagnose und/oder der Therapie einer Erkrankung. Oft damit verbunden sind Telematik-Lösungen wie die Videosprechstunde. Eine DiGA kann mittels e-Rezept verordnet werden.
  • Der elektronische Medikationsplan (eMP)
    Medikationspläne sind an sich nicht neu, denn seit 2016 haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan (BMP), soweit mindestens drei Medikamente einzunehmen sind. Neu hingegen beim eMP ist die Speicherung des Plans auf der eGK. Durch den Zugriff auf die eGK kann auch der eMP eingesehen werden und zum Zwecke der medizinischen Behandlung herangezogen werden. Die elektronische Form erlaubt eine ausführlichere Dokumentation des Medikamentenplans und kann somit auch vergangene Medikationen, medikationsrelevante Daten wie Allergien, Unverträglichkeiten oder Informationen zur Dosis und zum Einnahmegrund umfassen.
  • Der elektronische Heilberufsausweis (HBA)
    Der Schlüssel zur TI und ihren Anwendungen ist der HBA, mit welchem unter anderem Ärzt:innen ihren Berufsstand nachweisen. Der HBA ist eine personenbezogene Chipkarte für, zum Beispiel, Ärzt:innen und Zahnärzt:innen. Mit dem HBA können beispielsweise TI-Anwendungen wie e-Rezepte, eAU, Befunde oder Arztbriefe rechtssicher elektronisch durch die QES signiert werden. Seit dem 1. Juli 2021 müssen Ärzt:innen über einen HBA verfügen, der auch in Bezug auf die ePA zur Authentifizierung zu verwenden ist.
  • TI-Messenger und Informationstechnische Systeme in Krankenhäusern (ISiK)
    Die schnelle und unkomplizierte Kommunikation zwischen den Leistungserbringer:innen im Gesundheitswesen beispielsweise hinsichtlich der Planung von Behandlungsabläufen und Stationsauslastungen ist essenziell für die Gesundheitsversorgung und wird durch den TI-Messenger ermöglicht. Mit dem TI-Messenger kann in Echtzeit kommuniziert werden, wodurch schnelle und unkomplizierte Lösungen für Rückfragen, zum Beispiel zur Medikation, ermöglicht werden. Daneben können mit dem einheitlichen Standard für die Kommunikation im Medizinwesen (KIM) wichtige Dokumente und Nachrichten per E-Mail versendet werden.
    Weiterhin ermöglicht die TI einheitliche Standards für alle TI-Systeme aller Krankenhäuser (ISiK). Dadurch wird der schnelle und sichere Datenaustausch ohne Medienbrüche und ohne Übermittlungsfehler gewährleistet.
  • Telemedizin-Lösungen
    Zur TI treten auch Telemedizin-Lösungen hinzu, die eng mit der TI verbunden sind. Beispielsweise Online-Interaktionen, wie die Telekonsultation als Videosprechstunde. Auch die Fernüberwachung chronisch Erkrankter kann mittels Telemedizin vereinfacht werden. Das eBooking von Arztterminen auf einer Online-Plattform oder in einer App, wie Doctolib, sowie eÜberweisungen von Ärzt:innen zu speziellen Fachärzten reihen sich in die Telemedizin-Lösungen ein.

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Welche datenschutzrechtlichen Herausforderungen gilt es zu meistern?

Bei der Einbindung und Nutzung der TI, beispielsweise durch Krankenhäuser, muss stets auch der Datenschutz beachtet werden. Insbesondere in Krankenhäusern ist die Verarbeitung von Patient:innendaten Alltag und erfordert einen gelebten Datenschutz. Denn sensible Gesundheitsdaten stehen nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) unter besonderem Schutz. Gem. Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist die Verarbeitung von sensiblen Daten untersagt. Ausnahmen von diesem generellen Verarbeitungsverbot finden sich in Art. 9 Abs. 2 DSGVO. Im Gesundheitssektor spielt neben der wirksamen Einwilligung gem. Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO auch die Verarbeitung auf Grundlage eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages gem. Art. 9 Abs. 2 lit. h DSGVO und die Verarbeitung aus Gründen des öffentlichen Interesses im Bereich der öffentlichen Gesundheit gem. Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO eine wichtige Rolle. Diese Rechtsgrundlagen gilt es im Zusammenspiel mit der TI zu beachten, etwa wenn Krankenhäuser medizinische Informationen in die ePA einstellen oder aus ihr abrufen möchten.

Im Fokus steht außerdem die sichere Gestaltung des Zugriffs auf sensible Gesundheitsdaten. Der Zugriff darf stets nur denjenigen Akteuren gewährt werden, die nach einem im Vorhinein bestimmten Konzept hierfür berechtigt sind. Rollen- und Rechtekonzepte sind dabei standardisierte Lösungen.

Eine weitere datenschutzrechtliche Herausforderung stellt sich bei der Frage nach dem Umgang von Datenspenden, die insbesondere in der Gesundheitsforschung von großer Bedeutung sind. Freiwillige Datenspenden sind zwar bereits möglich, jedoch ist eine gesetzliche Regelung zum Datenschutz wünschenswert, um die Verarbeitung von Datenspenden umfassend rechtssicher auszugestalten. Darüber hinaus sollte dann ein zentrales Verzeichnis für medizinische Forschungsdaten eingerichtet werden, wodurch Forschungseinrichtungen je nach Bedarf Zugriff auf gewisse Datensätze nehmen können.

Fazit

Die TI legt den Grundstein für eine erfolgreiche Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Nun gilt es Grundlagen zu schaffen, um den Anstieg von Nutzer:innenzahlen zu bewältigen. Dafür gilt für die TI und die darin Anwendung findenden Komponenten, dass Datenschutz bei der Digitalisierung von Anfang an mitgedacht werden muss. So können Potentiale umfassend genutzt und von ihnen profitiert werden.

Unser Team an Expert:innen berät Sie gerne zu Ihren Fragen zum Thema TI und Datenschutz. Kontaktieren Sie uns gerne!

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