Wie werden die Vorgaben des BGH zum Urheberrechtsschutz von Werken der angewandten Kunst (Gebrauchskunst) umgesetzt? Erste Urteile der Instanzen

Wir hatten bereits berichtet, dass der BGH mit Urteil vom 13. November 2013 (Aktenzeichen: I ZR 143/12 – Geburtstagszug) seine strenge Rechtsprechung zu den Schutzvoraussetzungen für Werke der angewandten Kunst (Gebrauchskunst einschließlich von Designprodukten) aufgegeben hat und für diese Gebrauchskunst keine erhöhten Anforderungen an die Schutzfähigkeit mehr fordert.

I. Die BGH-Entscheidung „Geburtstagszug“

Der BGH hat in seiner Entscheidung in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung keine besondere Schöpfungshöhe mehr für Werke der angewandten Kunst, die auch Designprodukte und sonstige Gebrauchsgegenstände erfasst, gefordert. Damit sind Designprodukte urheberrechtlich geschützt, wenn die ästhetische Wirkung der Gestaltung nicht allein dem Gebrauchszweck geschuldet ist, sondern auf einer überschießenden künstlerischen Leistung beruht.

II. Urteil des OLG Schleswig

(veröffentlicht in MMR 2015, 49 – Geburtstagszug II)

In der Entscheidung „Geburtstagszug“ hatte der BGH den Rechtsstreit an das OLG Schleswig zurückverwiesen, damit dieses entsprechende Feststellungen treffen und die Grundsätze des BGH anwenden konnte. Das OLG Schleswig kommt in seinem Urteil – wie schon zuvor – zu dem Ergebnis, dass die Entwürfe für den Geburtstagszug keine Werkqualität aufweisen und somit nicht schutzfähig sind. Das Gericht stellt dabei darauf ab, dass die Designerin bekannte Vorlagen benutzt habe und die von ihr vorgenommenen gestalterischen Änderungen allein dem Gebrauchszweck geschuldet sei. Die Schöpfungsleistung reiche nicht aus, um Urheberrechtsschutz anzunehmen. Hingegen kommt das Gericht bei der anderen Gestaltung, um die es in dem Rechtsstreit auch ging, nämlich der Geburtstagskarawane, zu dem Ergebnis, dass diese schutzfähig ist, weil es hier keine vergleichbaren Vorbilder gab. Im Ergebnis weist das OLG Schleswig die Ansprüche aber aus anderen Gründen (Verjährung) ab. Es bleibt abzuwarten, ob erneut ein Revisionsverfahren durchgeführt wird.

III. Urteil des OLG Nürnberg

(veröffentlicht in 2014, 1199 – Kicker-Stecktabelle)

In einem weiteren instanzgerichtlichen Urteil hat sich das OLG Nürnberg mit der Anwendung der Grundsätze der Geburtstagszug-Rechtsprechung des BGH beschäftigt. Anders als die erste Instanz, die noch nach alter Rechtsprechung geurteilt hatte, kommt das OLG Nürnberg nun zu dem Ergebnis, dass die Kicker-Stecktabelle, deren Anordnung und Ausführung sich zwar in vielen Punkten aus der Natur der Sache ergebe, die vom BGH aufgestellten Anforderungen erfüllt. Die konkrete Anordnung der Tabellenplätze und die konkrete Gestaltung der schräg verlaufenden Linie der Tabellenplätze reichten danach aus, einen urheberrechtlichen Schutz zu bejahen. Sodann erläutert das OLG Nürnberg aber die Folgen des abgesenkten Schutzniveaus, die auch der BGH in seinem Urteil bereits postuliert hatte, nämlich ein geringer Schutzbereich der gerade noch geschützten Gebrauchskunst. Damit führen schon geringe Abweichungen vom Original als freie Benutzung gemäß § 24 UrhG aus dem Schutzbereich des Urheberrechts heraus. Das OLG Nürnberg stellt in seinem Urteil fest, dass die Abweichungen der angegriffenen Gestaltung ausreichen und weist die Klage daher ab.

IV. Urteil des OLG Köln

(vom 20. Februar 2015, Az. 6 U 131/14 – Urne mit Hirschmotiv)

In einem dritten obergerichtlichen Urteil erkennt das OLG Köln urheberrechtlichen Schutz für eine Urne mit Hirschmotiv zu. Das OLG Köln betont ebenfalls die Prüfung der Schutzfähigkeit anhand vorhandener oder nicht vorhandener vorbekannter Motive. Da der Beklagte in dem Verfahren keine vergleichbaren vorbekannten Motive vorlegen konnte, geht das OLG Köln bei ausreichender Individualität von einer urheberrechtlich geschützten Gestaltung aus und bestätigt das klagestattgebende Urteil erster Instanz.

V. Fazit

Die Instanzgerichte wenden die Grundsätze des BGH konsequent an und prüfen im Einzelfall, ob urheberrechtlicher Schutz einer Designgestaltung als Gebrauchskunst gegeben ist. Dabei zeigt sich, dass der BGH entsprechende Schlupflöcher gelassen hat, die bei ganz einfachen und vorbekannten Gestaltungen den Instanzgerichten die Möglichkeit geben, eine Schutzfähigkeit zu verneinen. Derzeit vertreten wir eine Partei in einem Verletzungsverfahren vor dem Landgericht München I, in dem es um die Frage der Schutzfähigkeit und den Umfang des Schutzbereichs einer Gestaltung eines Stuhls geht. Wir werden hierzu weiter berichten. Es bleibt aber bei der Empfehlung für Designer, neue Gestaltungen als Designrecht schützen zu lassen. Ob daneben urheberrechtlicher Schutz besteht, kann im Einzelfall schwierig zu bestimmen sein. Erst durch ein gerichtliches Urteil wird der Urheberrechtsschutz verbindlich festgestellt. Das Designrecht als Registerschutzrecht bietet hier größere Rechtssicherheit, wenn auch hier Vorsicht geboten ist, da es sich um ein ungeprüftes Schutzrecht handelt.

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