16.05.2025

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG): Neue Pflichten für Unternehmen ab 28. Juni 2025

Ab dem 28. Juni 2025 gilt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) verbindlich für eine Vielzahl von Unternehmen in Deutschland. Es verpflichtet zur barrierefreien Gestaltung bestimmter Produkte und digitaler Dienstleistungen – insbesondere auch von Websites und mobilen Anwendungen. Wir geben Ihnen eine Übersicht zu Anwendungsbereich, Pflichten und Risiken.

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Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG)?

Das BFSG ist ein nationales Umsetzungsgesetz der Richtlinie (EU) 2019/882 über die Barrierefreiheitsanforderungen für Produkte und Dienstleistungen („European Accessibility Act“). Es wurde am 28. Juni 2021 verkündet und tritt größtenteils am 28. Juni 2025 in Kraft.

Im Unterschied zu bestehenden Regelungen im Hinblick auf die Barrierefreiheit wie dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und der Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV 2.0), die auf öffentliche Stellen abzielen, adressiert das BFSG erstmals umfassend auch private Unternehmen im Hinblick auf ihre verbrauchergerichteten Produkte und digitalen Dienstleistungen.

Es begründet damit einen eigenständigen Regulierungsrahmen für den privaten Sektor, parallel zu den bereits etablierten Vorgaben für den öffentlichen Bereich. Das BFSG flankiert zudem einschlägige EU-Vorgaben zur Produktsicherheit und Konformitätsbewertung, ohne diese zu ersetzen.

Ziele des BFSG

Zentraler Zweck des BFSG ist es, Produkte und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie auch von Menschen mit dauerhaften oder vorübergehenden Einschränkungen ohne fremde Hilfe, in zumutbarer Weise und diskriminierungsfrei genutzt werden können.

Zugleich verfolgt der Gesetzgeber mit dem BFSG auch wirtschaftspolitische Ziele: Es soll die Harmonisierung der Vorschriften im EU-Binnenmarkt fördern, regulatorische Hürden abbauen und Unternehmen Planungssicherheit bieten. Nicht zuletzt wird durch barrierefreies Design auch eine breitere Nutzergruppe erreicht – Stichwort „Design für Alle“.

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Welche Unternehmen sind betroffen?

Das BFSG gilt für:

  • Hersteller, Importeure und Händler bestimmter Produkte,  
  • Dienstleistungserbringer, sofern sie Verbraucherdienstleistungen bereitstellen, die in den Anwendungsbereich fallen.  

Betroffen sind sowohl große Konzerne als auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU), sofern ihre Angebote unter die gesetzlich definierten Kategorien fallen.

Ausnahmen

Kleinstunternehmen im Bereich der Dienstleistungen sind gemäß § 3 Abs. 3 BFSG ausgenommen, sofern sie:

  • weniger als 10 Beschäftigte haben, und
    weniger als 2 Mio. Euro Jahresumsatz oder Bilanzsumme erzielen.

Keine Ausnahme gilt für Kleinstunternehmen, die unter das Produktsicherheitsrecht fallen (z. B. Hersteller von Selbstbedienungsterminals).

Welche Produkte und Dienstleistungen fallen unter das BFSG?

Das Gesetz nennt in § 1 Abs. 2 und 3 BFSG abschließend, welche Produkte und Dienstleistungen unter die Barrierefreiheitspflicht fallen. Dazu zählen unter anderem:

Produkte

Kategorie

Beispiele

Hardwaresysteme für Universalrechner für Verbraucher

Notebooks, Tablets, Smartphones

Zahlungsterminals

Geldautomaten

Selbstbedienungsterminals

Fahrausweisautomaten, Check-In-Automaten

Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang für Telekommunikationsdienste

Festnetztelefone, Router

Verbraucherendgeräte für den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten

Smart TV, Streamingboxen

E-Book-Lesegeräte

E-Reader wie Kindle oder Tolino

Dienstleistungen

Kategorie

Beispiele

Telekommunikationsdienste

Internet, Mobilfunk, IP-Telefonie

Bankdienstleistungen für Verbraucher

Online-Kontoeröffnung, Online-Banking

Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr

Onlineshops, Buchungsportale

E-Book-Dienste und hierfür bestimmte Software

Vertriebsplattformen, Lese-Apps

Nicht betroffen sind grundsätzlich Geschäftsanwendungen im B2B-Bereich sowie Produkte/Dienstleistungen, die vor dem 28. Juni 2025 in Verkehr gebracht wurden, sowie bestimmte veraltete digitale Inhalte, wenn sie nicht aktiv aktualisiert werden.

Für Selbstbedienungsterminals gilt eine verlängerte Übergangsfrist: Sie dürfen bis 28. Juni 2040 genutzt werden, sofern sie vor Inkrafttreten installiert wurden.

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Welche Anforderungen stellt das BFSG?

Allgemeine Anforderungen

Das BFSG legt verbindliche Anforderungen an die Gestaltung von bestimmten Produkten und Dienstleistungen fest, damit diese für Menschen mit Behinderungen, altersbedingten oder vorübergehenden Einschränkungen barrierefrei nutzbar sind.

Die konkreten technischen und funktionalen Anforderungen ergeben sich nicht direkt aus dem Gesetz selbst, sondern aus der Barrierefreiheitsanforderungsverordnung (BFSGV), die gemäß § 3 Abs. 2 BFSG erlassen wurde.

Allgemeine Anforderungen an Produkte und Dienstleistungen

Produkte und Dienstleistungen müssen so gestaltet sein, dass sie von Nutzerinnen und Nutzern in der üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe verwendet werden können. Für die betroffenen Anbieter ergeben sich daraus – je nach Rolle – unterschiedliche Pflichten:

  • Hersteller müssen sicherstellen, dass ihre Produkte den Anforderungen der BFSGV entsprechen, ein Konformitätsbewertungsverfahren (Anlage 2 BFSG) durchlaufen, eine EU-Konformitätserklärung (§ 18 BFSG) vorliegt und die Produkte mit der CE-Kennzeichnung (§ 19 BFSG) versehen sind.  
  • Importeure und Händler dürfen Produkte nur dann in Verkehr bringen oder bereitstellen, wenn die vorgenannten Anforderungen erfüllt sind und die erforderlichen Unterlagen (Gebrauchsanleitung, Sicherheitsinformationen, Herstellerkennzeichnung) in barrierefreier und verständlicher Form beigefügt sind (§§ 9, 11 BFSG).  
  • Dienstleistungserbringer dürfen ihre Leistungen nur anbieten oder erbringen, wenn diese den Anforderungen der BFSGV entsprechen und die Informationen gemäß Anlage 3 BFSG erstellt und öffentlich barrierefrei bereitgestellt wurden (§ 14 BFSG).

Sowohl Hersteller als auch Dienstleistungserbringer sind verpflichtet, die Einhaltung der Anforderungen zu dokumentieren und der Marktüberwachungsbehörde auf Verlangen sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen (§ 15 BFSG). Dies betrifft u. a. technische Dokumentationen, Prüfberichte, Konformitätserklärungen und Angaben zur Ausgestaltung der Dienstleistung.

Besondere Anforderungen an Websites und mobile Anwendungen

Websites und mobile Apps, die unter das BFSG fallen, müssen den Anforderungen der Norm EN 301 549 entsprechen. Diese basiert auf den WCAG 2.1 (Stufe AA) und verlangt unter anderem:

  • Alternativtexte für Bilder
  • Bedienbarkeit ohne Maus (z. B. per Tastatur)
  • ausreichende Farbkontraste
  • skalierbare Schriftgrößen
  • Navigierbarkeit per Screenreader
  • konsistente Strukturierung und Überschriftenlogik

Dienstleistungserbringer müssen zudem eine Barrierefreiheitserklärung veröffentlichen (siehe unten).

Müssen Unternehmen nun ihre komplette Website barrierefrei ausgestalten?

Ob das BFSG greift, hängt nicht allein davon ab, ob eine Website existiert, sondern davon, was darüber angeboten wird. Maßgeblich ist, ob über die Website eine verbraucherbezogene Dienstleistung im Sinne des Gesetzes bereitgestellt wird.

Wenn über die Website Verträge mit Verbraucherinnen und Verbrauchern angebahnt oder abgeschlossen werden, etwa durch einen Online-Shop oder eine Buchungsfunktion, ist die Dienstleistung barrierefrei zu gestalten. Wenn eine Website dagegen nur der Information oder Imagepflege dient und keine vertraglich relevante Funktion umfasst, fällt sie in der Regel nicht unter das BFSG.

Müssen die Produkte und Dienstleistungen, die Unternehmen über einen Online-Shop anbieten selbst barrierefrei sein?

Nicht automatisch. Das BFSG unterscheidet zwischen der Dienstleistung des elektronischen Geschäftsverkehrs (also dem Betrieb des Shops selbst) und den dort angebotenen Produkten. Der Shop muss barrierefrei gestaltet sein, wenn er sich an Verbraucherinnen und Verbraucher richtet. Das betrifft vor allem Navigation, Produktauswahl, Bestellung und Bezahlung.

Die verkauften Produkte selbst müssen nur dann barrierefrei sein, wenn sie ausdrücklich in § 1 Abs. 2 BFSG genannt sind. Für diese Produktgruppen gelten besondere technische Anforderungen an Bedienbarkeit oder Kompatibilität mit Hilfsmitteln.

Wer hingegen etwa Kleidung, Haushaltsartikel, Werkzeuge oder Möbel verkauft, muss diese Produkte nicht barrierefrei gestalten. Hier genügt es, dass der Onlineshop als digitale Dienstleistung barrierefrei zugänglich ist.

Was muss eine Barrierefreiheitserklärung enthalten?

Die Barrierefreiheitserklärung ist ein zentrales Dokument zur Information der Nutzer und zur rechtlichen Absicherung des Anbieters. Sie muss öffentlich und leicht zugänglich sein (z. B. im Footer einer Website oder innerhalb einer App) und folgende Inhalte enthalten:

  • Beschreibung des Angebots in einem barrierefreien Format, auf das sich die Erklärung bezieht (Online-Shop, App etc.)  
  • eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die einschlägigen Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt, insbesondere auf Basis der technischen Normen nach § 3 Abs. 2 BFSG (z. B. EN 301 549),
  • Erläuterungen zur konkreten Gestaltung und Durchführung der Dienstleistung, soweit diese für das Verständnis der Barrierefreiheit relevant sind,
  • Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde, die für die Kontrolle der Dienstleistung zuständig ist.

Die Erklärung muss selbst barrierefrei zugänglich sein und regelmäßig aktualisiert werden.

Welche Sanktionen drohen bei Nichteinhaltung des BFSG?

Unternehmen, die gegen das BFSG verstoßen, müssen mit empfindlichen Sanktionen rechnen:

  • Die zuständige Marktüberwachungsbehörde kann Produkte oder Dienstleistungen vom Markt nehmen, Rückrufe anordnen und behördliche Maßnahmen zur Mängelbeseitigung treffen (§ 26, 29 BFSG).
  • Produkte: Hersteller, Importeure und Händler riskieren Bußgelder bis zu 100.000 Euro (§ 37 BFSG), z. B. bei fehlender CE-Kennzeichnung, unterlassener Konformitätserklärung oder mangelhafter Produktinformation.
  • Dienstleistungen: Dienstleistungserbringer haften bei nicht barrierefreier Erbringung oder fehlenden Informationen nach Anlage 3 BFSG ebenfalls mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro.

So unterstützen wir Sie bei der Umsetzung des BSFG

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) stellt Unternehmen vor komplexe rechtliche und technische Herausforderungen. Wir unterstützen Sie dabei, Ihre digitalen Angebote und Geschäftsmodelle rechtssicher und praxisnah an die gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Unsere Leistungen im Bereich BFSG umfassen insbesondere:

  • Prüfung des Anwendungsbereichs des BFSG auf Ihr konkretes Geschäftsmodell, z. B. bei digitalen Plattformen, Online-Shops oder webbasierten Dienstleistungen  
  • Rechtliche Bewertung von Websites und Apps im Hinblick auf barrierefreiheitsrechtliche Anforderungen des BFSG, einschließlich Abgleich mit EN 301 549 und WCAG 2.1 bzw. den aktuelleren WCAG 2.2  
  • Aufbereitung der Barrierefreiheitsanforderungen für die technische Umsetzung, z. B. zur Weitergabe an interne Entwickler oder externe Dienstleister  
  • Begleitung bei der rechtssicheren Umsetzung und Dokumentation, u. a. bei der Erstellung von Konformitätserklärungen und Barrierefreiheitserklärungen sowie im Kontakt mit Aufsichtsbehörden oder Partnern

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