26.06.2019
Checkout-Zone: Viel Potential, viel Datenschutz!
Die Checkout–Zone ist für den stationären Handel häufig der Ladenbereich mit dem höchsten Umsatz pro Quadratmeter. Gleichzeitig ist dieser Bereich derjenige, der zu einem guten Teil darüber entscheidet, wie Kunden den Service erleben. Lange Wartezeiten und hektisches Einpacken können Kunden schnell vergraulen. Um das weitere Umsatzpotenzial zu heben und Kunden durch angenehmes Einkaufen zu binden, haben sich Dienstleister einige Innovationen ausgedacht. Dieser Artikel beleuchtet die rechtliche Seite dieser neuen Entwicklungen.
Payment-Methoden im Kassenbereich: Self Checkout
Was vor wenigen Jahren noch nach Science-Fiction klang, kommt mittlerweile in der Praxis an: Der Einzelhandel ohne Kassenzone. Vielen kommt dabei als erstes das Pilotprojekt Amazon GO in den Sinn. Dieser Store mit einer recht kleinen Auswahl an Lebensmitteln ist allerdings eine sehr vorsichtige Umsetzung des Konzepts.
Fortgeschrittener sind an dieser Stelle der Elektronikdiscounter Saturn und die Baumarktkette Globus. In vielen Globusmärkten kann der Kunde nach dem Einscannen seiner Kundenkarte mit seinem eigenen Scanner die Einkäufe erfassen und beim Verlassen des Ladens im Vorbeigehen per Kreditkarte bezahlen.
Etwas anders geht die MediaMarktSaturn Retail Group mit der Marke „Saturn“ vor. Nach einer Probephase in Innsbruck stattet sie ihren größten Markt in Hamburg mit einem Smartpay-System aus. Bei diesem ist es dem Kunden möglich, alle Artikel über eine App zu bezahlen. Beim Versuch in Innsbruck wurde auf weitere Sicherungen verzichtet. Das deutlich größere Sortiment der Hamburger Filiale umfasst auch sehr hochpreisige Artikel. Vor dem Verlassen des Geschäfts müssen die Sicherungen an diesen Artikeln an einem eigenen Schalter von einem Mitarbeiter entfernt werden.
Diese Neuerungen bergen sowohl für Kunden als auch Einzelhändler großes Potenzial. Der Kunde gewinnt dadurch an Komfort, dass er sich nicht mehr klassisch an der Kasse anstellen muss. Die Einzelhändler können den häufig personalintensiven Kassiervorgang mit weniger Mitarbeitern durchführen und den Service aufstocken.
Aufgrund der hohen Umsetzungskosten für die Investition in kassiererlose Checkout-Zonen wird sich diese jedoch nicht in allzu naher Zukunft rentieren.
Risiken
Je nachdem, wie Handelsunternehmen kassenlose Märkte umsetzen wollen, stehen diesen Chancen aber auch gewisse Risiken gegenüber.
So stellt gerade die Sicherung der Waren eine große Herausforderung dar. Wer in seinen Märkten vollständig auf Kassen verzichtet, muss eine neue Strategie gegen die Verhinderung von Ladendiebstahl entwickeln. Mangels praktischer Anwendungen gibt es in diesem Bereich noch keine Rechtserfahrungen. Am Beispiel der Self-Scan-Kassen zeigte sich, dass die Rechtsprechung hier keine offenen Flanken lässt. Das bedeutet: Wenn jemand Ware aus dem Laden entnimmt, ohne dafür zu bezahlen, bleibt das auch ohne Kasse strafbar.
Trotzdem ist die Hemmschwelle zum Ladendiebstahl in Läden, in denen keine mit Personal besetzten Kassenzonen zu überwinden sind, geringer. Daher gilt es Lösungen zu entwickeln, die Ladendiebstahl effektiv vorbeugen können. Ganz ohne Personal ist eine funktionierende Prävention jedoch nur schwer vorstellbar. Ein Posten am Ladenausgang, wie er in viele Geschäften bereits üblich ist, könnte eine Lösung sein.
Rechtliche Anforderungen: Datenschutz
Eine radikale Umsetzung des kassenlosen Geschäftes erprobt Amazon. Dort wird per Kamera und über andere Sensoren verfolgt, welche Waren der Kunde einkauft. Der Preis wird daraufhin von seinem Kundenkonto abgezogen. Eine solche Lösung erfasst sehr große Mengen an Daten, so dass beinahe vom gläsernen Kunden gesprochen werden kann.
Mit dem Prinzip der Datensparsamkeit und Transparenz von Datenverarbeitungsvorgängen, das für Datenverarbeitungen in der EU in Art. 5 Abs.1 lit a, c DSGVO vorgeschrieben ist, ist eine solche Lösung wohl nur schwer vereinbar. Unternehmen, die Innovationen dieser Art umsetzen wollen, müssen bedenken, dass die Erhebung von Daten nur dann rechtmäßig ist, wenn sie möglichst sparsam erfolgt.
Gerade das Tracking von Kunden in Ladengeschäften muss sich an den strengen Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) messen lassen und bedarf intelligenter Konzepte. Wer verfolgt, wie sich die Kunden durch den Laden bewegen, eventuell sogar deren Gewicht misst, oder Bewegungsprofile erstellt, verarbeitet deren Daten. Die Identifizierung von Kunden durch Kameras funktioniert nicht ohne die Erfassung biometrischer Daten. Diese sind nach Art. 9 Abs. 1 DSGVO besonders geschützt. Ohne eine Einwilligung des Kunden ist eine Verarbeitung nur in sehr engen Grenzen möglich, eine Einwilligung gleichwohl nicht einfach einzuholen.
Das Gleiche gilt für das Erfassen des Körpergewichts von Kunden, wie in dem durch Amazon erprobten Shopmodell. Dabei handelt es sich nämlich um ein gesundheitsbezogenes Datum. De facto wäre das Konzept in seiner jetzigen Form in Europa ggfs. nicht zulässig, da noch nicht einmal bekannt ist, welche Daten Amazon überhaupt genau erfasst. Gleichzeitig bleibt die praktische Schwierigkeit, dass Amazon sicherstellen müsste, dass nur Personen, die in diese umfassende Datenverarbeitung eingewilligt haben, den Laden betreten können. Eine Kontrolle anhand biometrischer Daten kann gerade am Eingang nicht stattfinden, da dieser ja auch von Menschen genutzt werden kann, die nicht in die Erfassung dieser Daten eingewilligt haben. Die einzige Möglichkeit bestünde in einer anonymisierten Datenverarbeitung, was aber mit dem Ziel der Zahlung am Ende konterkariert. Zumindest für Europa gilt es intelligente Lösungen zu entwickeln, die die gewünschte Nutzerakzeptanz erreichen.
Selbst wenn die Nutzung der Kameras für die Durchführung eines kassiererlosen Einkaufs zwingend nötig ist, blieben Einzelhändler drauf angewiesen, dass jeder einzelne Kunde in die Erfassung seiner biometrischen Daten einwilligt, BEVOR dieser den Laden betritt. Die Verarbeitung wäre nicht bereits nach Art. 6 I S. 1 Lit. b DSGVO rechtmäßig. Der springende Punkt dabei ist, dass es Alternativen zum System von Amazon (Kundenkarte, App oder Ähnliches) gibt, die deutlich weniger Daten verarbeiten und genauso gut funktionieren.
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SAP Customer Check Out
Eine andere Innovation ist gerade für sehr große Händler interessant: Die Integration von SAP Customer Check Out soll ermöglichen, die Auslastung von Kassen, verbrauchte Waren und Warteschlangen beinahe in Echtzeit zu verfolgen. So soll der Personal- und Wareneinsatz effektiver geplant werden können. So verwendet Beispielsweise der FC Bayern dieses System in seiner Allianz–Arena.
An dieser Stelle bestehen kaum rechtliche Bedenken. So lange personenbezogene Daten – wie zum Beispiel Zahlungsdaten – nicht gespeichert werden. Nachzudenken ist dennoch darüber, ob die Verarbeitung so großer Mengen an Daten nicht Rückschlüsse auf den einzelnen Kunden zulässt. Falls das der Fall ist, sollten die Daten – soweit möglich – anonymisiert werden.
Auch der Grundsatz der Datensparsamkeit darf bei solch umfassender Informationserfassung nie außer Acht gelassen werden. Selbst, wenn die Daten nur anonymisiert verarbeitet werden, kann ab einer gewissen Menge an erfassten Einzelinformationen trotzdem bestimmt werden, von wem diese stammen. Unternehmer sollten vor dem Einsatz einer solchen Software prüfen, ob sie so viele Daten ihrer Kunden verarbeiten, dass ein Profiling möglich wird. Wenn das der Fall ist, sollte die Menge der durch SAP Customer Check Out verarbeiteten Daten so eingeschränkt werden, dass aus den anonymisierten Daten nicht Rückschlüsse auf einzelne Personen gezogen werden können.
Die meisten Innovationen können datenschutzkonform gestaltet werden. Um von Anfang an Aufwand zu sparen und spätere Bußgelder zu verhindern, empfiehlt es sich, schon in der Entwicklungsphase rechtlichen Rat einzuholen.
Fazit
Die Checkout-Zone ist im Einzelhandel wohl der Bereich, der sich in der nahen Zukunft am meisten verändern wird. Dabei beginnen die Möglichkeiten, wie diese Veränderungen aussehen werden, erst damit sich abzuzeichnen. Einzelhändler, die bei diesem Wandel vorn sein wollen, stehen keinen unüberwindlichen Rechtshürden gegenüber. Pioniere wie Globus und MediaMarktSaturn experimentieren bereits im Live Betrieb mit Systemen ohne Kassierer. Wer kassiererlose Systeme einführt, kann durch zufriedenere Kunden und geringere Personalkosten Wettbewerbsvorteile gewinnen. In weiten Teilen Deutschlands gewänne man dadurch zusätzlich ein Alleinstellungsmerkmal.
Um ein solches Konzept rechtssicher umzusetzen, empfiehlt es sich bereits in der Planungsphase einen Anwalt einzubinden. So können ohne großen Aufwand die Weichen gestellt werden, die zu einem erfolgreichen und reibungslosen Projekt „Checkout-Zone der Zukunft“ führen.
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