19.12.2014

Rechtswahlklausel „Es gilt deutsches Recht“ unwirksam?

Klauseln zur Rechtswahl gehören in Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zur gängigen Praxis. Die Verwendung solcher Klauseln in AGB kann jedoch abmahnfähig sein, wie eine Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt.

Unverbindliches Erstgespräch vereinbaren

OLG Oldenburg, Beschluss v. 23.09.2014, Az. 6 U 113/14: Unwirksamkeit von Klauseln zur Rechtswahl nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB.

Klauseln zur Rechtswahl gehören in Verträgen und Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zur gängigen Praxis. Die Verwendung solcher Klauseln in AGB kann jedoch abmahnfähig sein, wie eine Entscheidung des OLG Oldenburg zeigt.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Betreiber eines Online-Shops, dessen Angebote sich auch an Verbraucher im Ausland richteten, in seinen AGB auf der Plattform Amazon folgende Rechtswahlklauseln verwendete:

„Diese Vertragsbedingungen unterliegen deutschem Recht.“

„Erfüllungsort: es gilt deutsches Recht.“

Auf Beschwerden von Mitbewerbern hin beanstandete die Wettbewerbszentrale diese Klauseln wegen unangemessener Benachteiligung von Verbrauchern als unwirksam nach § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

Zur Entscheidung

Das Landgericht und das Oberlandesgericht Oldenburg erklärten die streitgegenständliche Rechtswahlklausel(n) wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 und Abs. 2 BGB für unwirksam. Nach Ansicht der Richter ist hierfür wesentlich, dass sich Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt bzw. Wohnsitz im Ausland nach Art. 6 Absatz 2 Satz 2 der europäischen Rom I-Verordnung ungeachtet der Rechtswahl stets auch auf das zwingende Verbraucherschutzrecht des Staates berufen können, in dem sie sich für gewöhnlich aufhalten. Da durch die Klausel(n) jedoch der Eindruck erweckt werde, deutsches Recht sei stets anwendbar, seien die AGB insoweit nicht ausreichend klar und verständlich.

Hintergrund

Die sogenannte Rom I-Verordnung ist seit 2009 in Kraft und regelt das im Bereich der EU für Verträge anwendbare Recht. Dabei gilt der Grundsatz, dass Verträge in erster Linie dem von den Parteien gewählten Recht unterliegen. Wenn die Parteien hierzu keine Regelung getroffen haben, richtet sich das anwendbare Recht nach den Bestimmungen der Verordnung. Soweit es um Verbraucherverträge geht, ist hierbei zu beachten, dass sich Verbraucher zwingend auf das Recht des Staates berufen können, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Newsletter

Alle wichtigen Neuigkeiten zu Themen wie Datenschutz, Künstliche Intelligenz, IT-Recht und vielen mehr – einmal monatlich in Ihr Postfach.

Bitte rechnen Sie 3 plus 2.

Mit Klick auf den Button stimmen Sie dem Versand unseres Newsletters und der aggregierten Nutzungsanalyse (Öffnungsrate und Linkklicks) zu. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen, z.B. über den Abmeldelink im Newsletter. Mehr Informationen: Datenschutzerklärung.

Bewertung und Fazit

Die Entscheidung OLG Oldenburg überrascht. Selbst nach der Rom I-Verordnung sind zur Bestimmung des auf Verträge anwendbaren Rechts in erster Linie Rechtswahlklauseln maßgeblich. Insoweit kann man dem Onlineshop-Betreiber im vorliegenden Sachverhalt nicht vorwerfen, dass mit den verwendeten Klauseln von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen abgewichen wurde. Das Gericht ging jedoch davon aus, dass die gewählte Formulierung zumindest nicht klar und verständlich genug sei. Auch dies kann in der Tat eine unangemessene Benachteiligung nach AGB-Recht (§ 307 Abs. 1 S.2 BGB) darstellen.

Wenn man vorliegenden Fall zu Ende denkt, müsste man also zukünftig in AGB gegenüber Verbrauchern neben der Rechtswahlklausel darauf hinweisen, dass sich Verbraucher aus dem Ausland unabhängig von der konkreten Rechtswahl stets auch auf das zwingende Verbraucherschutzvorschriften des Staates berufen können, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Ob mit einer solchen Regelung allerdings den Verbrauchern geholfen ist, mag bezweifelt werden, da Verbraucher aus dem Ausland damit letztlich immer noch keine Klarheit darüber haben, welche zwingenden Verbraucherschutzvorschriften neben dem deutschen Recht nun anwendbar sind.

Das LG Hamburg hat in 2011 übrigens eine genau gegenteilige Entscheidung gefällt (vgl. LG Hamburg, Urt. v. 06.01.2011 – 327 O 779/10). Die Richter führten damals aus, mit der gegenständlichen Rechtswahlklausel werde nur von dem entsprechenden Recht zur Rechtswahl Gebrauch gemacht. Eine Aufzählung möglicher – zusätzlich neben dem gewählten Vertragsstatut – anwendbarer ausländischer zwingender Bestimmungen sei von dem Unternehmer weder zu erwarten, noch zumutbar.

Aufgrund der aufgezeigten unklaren Rechtslage sollten Online-Händler dennoch gewarnt sein und das bestehende Abmahnrisiko nicht unterschätzen. Unternehmern ist daher eine Überprüfung der AGB zu empfehlen.

Vereinbaren Sie jetzt ein
unverbindliches Erstgespräch!

Lassen Sie uns über Ihre Herausforderungen sprechen und vereinbaren Sie ein unverbindliches Erstgespräch mit unseren spezialisierten Anwält:innen.

Termin vereinbaren

Weitere Neuigkeiten

04.09.2024

AI as a Service (AIaaS): So funktioniert die Implementierung im Unternehmen

31.07.2024

Digital Health Update 2024

25.07.2024

Bonitätsprüfung und Zusammenarbeit mit Auskunfteien nach der SCHUFA-Entscheidung des EuGH