06.11.2015
Unter welchen Voraussetzungen sind Designobjekte als Werke der angewandten Kunst urheberrechtlich geschützt?
Erste instanzgerichtliche Urteile nach der Änderung der Rechtsprechung des BGH zum Urheberrechtsschutz für angewandte Kunst.
Wir hatten bereits zuvor ausführlich über das Urteil des BGH vom 13. November 2013 (MMR 2014, 333 – Geburtstagszug) berichtet, mit dem strenge Rechtsprechung zum Urheberschutz für Designobjekte aufgegeben wurde. In dem Urteil hat der BGH vorgegeben, dass an den Urheberschutz für Werke der angewandten Kunst, also Design- oder Gebrauchsobjekte wie z.B. Möbel, Lampen etc., keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen als bei Werken der sogenannten bildenden Kunst, also klassischen Kunstwerken. Gespannt waren erste instanzgerichtliche Urteile im Nachgang zum Urteil des BGH zur Umsetzung der neuen Rechtsprechung erwartet worden.
Urteil des OLG Schleswig
In seinem Urteil hatte der BGH die Sache an das OLG Schleswig zurückverwiesen. Inzwischen hat das Gericht entschieden und hat das OLG Schleswig inzwischen entschieden und dem Geburtstagszug auch unter Zugrundelegung der neuen Entsprechung des BGH erneut die erforderliche Schöpfungshöhe abgesprochen, also einen Schutz verneint (OLG Schleswig, MMR 2015, 49 – Geburtstagszug II). Das OLG hat in seiner Prüfung der Schutzfähigkeit vorbekannte Gestaltungen zugrundegelegt und festgestellt, dass die von der Designerin vorgenommenen Änderungen allein dem Gebrauchswert geschuldet seien. Diese Änderungen wären „ausgesprochen naheliegend“ gewesen. Aufgrund des vorgegebenen Gebrauchszwecks sei der Gestaltungsspielraum eingeschränkt. Das OLG Schleswig hatte allerdings auch über ein zweites Werk der Designerin zu entscheiden, nämlich der Geburtstagskarawane. Hier revidiert das OLG seine Erstentscheidung und erkannte nun ein hinreichendes Maß persönlich geistiger Schöpfung, vor Allem deswegen, weil es anders als beim Geburtstagszug keine vergleichbaren Vorbilder gegeben habe.
Urteil des OLG Nürnberg
Weiter hat das OLG Nürnberg ebenfalls nach Veröffentlichung der BGH-Entscheidung über die Kicker-Stecktabelle entschieden und dieser einen Schutz als Werk der Gebrauchskunst nach § 2 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 UrhG zuerkannt (OLG Nürnberg, GRUR 2014, 1199 – Kicker-Stecktabelle). In Umsetzung der weiteren Vorgaben des BGH hat das OLG Nürnberg allerdings aufgrund der allenfalls geringen Gestaltungshöhe der Kicker-Stecktabelle einen entsprechend engen Schutzbereich angenommen. Dieser Schutzbereich sei aufgrund der Unterschiede der angegriffenen Nachahmer Stecktabelle nicht verletzt worden, so dass diese eine freie Bearbeitung darstelle.
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Verfahren vor dem LG München I
In einem aktuellen Fall haben wir vor dem Landgericht München I (Az. 21 O 19065/12) den Hersteller eines Stuhls vertreten, dem vorgeworfen wurde, das Urheberrecht von Designern an einem älteren Stuhl verletzt zu haben. Nach unserer Auffassung konnte dem Stuhl der Gegenseite allerdings auch unter Berücksichtigung der neuen Entsprechung des BGH kein Urheberrechtsschutz zukommen, da es sich um eine bloße Variation vorbekannter Designmerkmale gehandelt hatte, die zudem teilweise technisch bedingt waren. Der Stuhl der Gegner war seinerzeit im Übrigen durch ein eingetragenes Geschmacksmuster (jetzt Designrecht) geschützt worden, welches allerdings bereits abgelaufen war. Aber selbst wenn man dem Stuhl Urheberrechtsschutz zuerkannt hätte, wäre der Schutzbereich derart eng gewesen, dass die Gestaltung unseres Mandanten keine Urheberrechtsverletzung dargestellt hätte. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 4. November 2015 konnte noch keine abschließende Bewertung durch das Gericht erfolgen. Jedoch wiesen die Richter darauf hin, dass man sicherlich von einer hohen Gestaltungsdichte bei entsprechenden Stühlen ausgehen müsse. Daraus kann zumindest abgeleitet werden, dass das Gericht von einem sehr geringen Schutzbereich ausgeht, wenn denn die erforderliche Schöpfungshöhe bejaht würde. Da auch andere Ansprüche, insbesondere Zahlungsansprüche unseres Mandanten im Raum standen, haben die Parteien letztendlich einen für unseren Mandanten positiven Vergleich geschlossen, so dass das Gericht über Schutzfähigkeit und Schutzbereich nicht abschließend entscheiden brauchte.
Fazit
Die Änderung der Rechtsprechung des BGH führt dazu, dass für viele Design- oder Gebrauchsobjekte nunmehr Urheberrechtsschutz beansprucht werden kann. Allerdings ist immer im Einzelfall zu prüfen, ob das konkrete Objekt auch unter Berücksichtigung des gestalterischen Umfelds die erforderliche Schöpfungshöhe erreicht. Die Schwelle hierfür ist zwar nach der Rechtsprechung des BGH niedriger als zuvor, aber es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass immer noch eine künstlerische Leistung vorliegen muss. Weiter ist zu prüfen, ob das Nachahmungsobjekt in den vielfach geringen Schutzbereich des geschützten Werkes fällt.
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