24.10.2024
Urteil zum Urheberrecht bei Text und Data Mining
Mit dem LG Hamburg hat erstmals ein deutsches Gericht zur Urheberrechtsschranke des Text und Data Mining (TDM) aus § 44b UrhG entschieden. Das Urteil ist nicht nur für Kreativschaffende, sondern auch für Entwickler von generativen KI-Modellen von großer Relevanz.
Worüber hat das LG Hamburg entschieden?
In dem zugrundeliegenden Fall hatte sich ein Fotograph gegen die Verwendung seiner Fotos durch den gemeinnützigen Verein LAION e.V. gewandet.
Der Verein hatte Werke des Fotographen mithilfe eines automatisierten Verfahrens von der Webseite einer Stock-Photo-Datenbank extrahiert, an die der Fotograph seine Bilder zuvor verkauft hatte. Die Stock-Photo-Datenbank hatte in ihren Nutzungsbedingungen eine Nutzung für „automated programms“ ausgeschlossen.
Der Verein kopierte die Fotos dennoch und speiste sie in einen großen Bild-Text-Datensatz ein, den der Verein anschließend öffentlich für das Training von KI-Bildgeneratoren zur Verfügung stellte. Bezüglich der Vervielfältigung der Fotos berief sich der Verein in dem Verfahren auf die Urheberrechtsschranke des TDM aus § 44b UrhG.
Der klagende Fotograf hingegen machte geltend, dass die Nutzung seiner Bilder infolge des erklärten Nutzungsvorbehalt ausgeschlossen und somit nicht zulässig sei. Gem. § 44b Abs. 3 UrhG steht es den Rechteinhabern zu, sich die Nutzung ihres Werks zum TDM vorzubehalten. Der Nutzungsvorbehalt muss dafür in maschinenlesbarer Form erfolgen. Die Parteien stritten nunmehr darüber, wie das Merkmal der Maschinenlesbarkeit auszulegen sei.
Die Klägerseite argumentierte, dass der Nutzungsvorbehalt in natürlicher Sprache etwa in den Nutzungsbedingungen oder im Impressum der Webseite erklärt werden könne. Der Beklagte hingegen vertat die Rechtsauffassung, dass der Nutzungsvorbehalt vielmehr in einer technischen (standardisierten) Form – etwa durch die Nutzung bestimmter Dateiformate – ausgestaltet sein muss, sodass eine Maschine den Nutzungsvorbehalt problemlos beim ersten Zugriff auf den Inhalt erkennen könne.
Was hat das LG Hamburg entschieden?
Seine mit Spannung erwartete Entscheidung hat das LG Hamburg im vorliegenden Fall letztlich auf die Schrankenregelung des § 60d UrhG gestützt und entschieden, dass die in Frage stehende Vervielfältigungshandlung im Rahmen des Data Mining für Zwecke der wissenschaftlichen Forschung zulässig sei.
Das Gericht äußert sich daneben jedoch auch zu praxisrelevanten Auslegungsfragen im Zusammenhang mit § 44b UrhG, der das TDM auch für kommerzielle Zwecke erlaubt.
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Ist KI-Training von der Schrankenbestimmung abgedeckt?
Zunächst setzte sich das LG Hamburg in seinem Urteil mit der Frage auseinander, ob Vervielfältigungshandlungen zum Zwecke des KI-Trainings überhaupt unter die Schrankenregelung des § 44b UrhG fallen.
Betreffend den zugrundeliegenden Sachverhalt kam das Gericht zu dem Ergebnis, dass die in Frage stehenden Vervielfältigungshandlungen TDM im Sinne von § 44b UrhG darstellen. Da vor der Erstellung des KI-Trainingsdatensatzes die Übereinstimmung von Bildinhalt und Bildbeschreibung analysiert wird, liegt aus Sicht des LG Hamburg eine Analyse zum Zweck der Gewinnung von Informationen über „Korrelationen“ und somit TDM im Sinne von § 44b UrhG vor.
Darüber hinaus spricht sich das LG Hamburg gegen eine im Schrifttum vertretene Auffassung aus, wonach Vervielfältigungen zum Zwecke des KI-Training nicht von der Schranke des § 44b UrhG gedeckt sein sollen. Die Vertreter der Literaturmeinung argumentieren, dass das Ziel des KI-Training nicht das Erkennen von Mustern, Trend und Korrelationen, sondern vielmehr die Schaffung ähnlicher oder gleicher Konkurrenzprodukte sei und der Gesetzgeber die Entwicklung von KI-Modellen bei Schaffung der Norm noch nicht mitgedacht habe.
Dem hält das Landgericht entgegen, dass der aktuelle europäische Gesetzgeber mit der KI-Verordnung deutlich gemacht hat, dass auch die Erstellung von Datensätzen, die zum Training von künstlich neuronalen Netzen bestimmt sind, unter die Schrankenregelung des TDM fallen sollen. Dies ergebe sich aus Art. 53 Abs. 1 lit. c der KI-Verordnung, wonach Anbieter von KI-Modellen mit allgemeinem Verwendungszweck verpflichtet sind, eine Strategie zur Ermittlung und Einhaltung eines geltend gemachten TDM- Nutzungsvorbehalts vorzusehen.
Sind Nutzungsvorbehalte in natürlicher Sprache maschinenlesbar?
Darüber hinaus äußerte sich das LG Hamburg auch zu den Anforderungen an die Maschinenlesbarkeit des Nutzungsvorbehalts gem. § 44 b UrhG. Entgegen der wohl herrschenden Auffassung in der Literatur neigt es dazu, einen in natürlicher Sprache erklärten Nutzungsvorbehalt als maschinenlesbar genügen zu lassen.
Seine Ansicht begründet das Gericht damit, dass es Nutzern von TDM zumutbar sei, bei der Auslesung des Nutzungsvorbehalts auch auf modernste Technologien zurückzugreifen. Diese würden es ermöglichen, auch einen in natürlicher Sprache geschriebenen Text inhaltlich zu erfassen. In Bezug auf den konkreten Fall berücksichtigt das LG Hamburg, welche technischen Möglichen für die Auslesbarkeit des Nutzungsvorbehalts zum Zeitpunkt der Vervielfältigungshandlung zur Verfügung standen.
Für Entwickler von KI-Modellen, welche beim Training ihrer KI-Modelle auch auf TDM setzen, ist diese Auslegung wenig erfreulich. Die rechtskonforme Gestaltung des TDM wird dadurch erheblich erschwert. Seitens der TDM-Nutzer wird argumentiert, dass die für die Auslesbarkeit der Nutzungsvorbehalte erforderliche Eindeutigkeit nur durch die Erklärung des Vorbehalts mittels technischer Maßnahmen – etwa die Verwendung codierter Nutzungsvorbehalte – erreicht werden könne.
Vor diesem Hintergrund haben sich bereits viele Marktteilnehmer für die einheitliche Verwendung sogenannter robot.txt-Dateien (Robots Exclusion Standard) ausgesprochen. Bei robot.txt handelt es sich um einen technischen Standard zur Kommunikation mit automatischen Crawlern.
Fazit zum Urteil des LG Hamburg
Die Auffassung des LG Hamburg das KI-Training nicht grundsätzlich vom Anwendungsbereich des § 44b UrhG auszunehmen dürfte all diejenigen freuen, die beim KI-Training auf TDM setzen.
Unbefriedigend erscheint hingegen die Auslegung des Merkmals der Maschinenlesbarkeit des Nutzungsvorbehalts. Die Notwendigkeit, in natürlicher Sprache erklärten Nutzungsvorbehalte zu berücksichtigen, stellt die Nutzer von TDM vor praktische Herausforderungen. Die Erreichung des Zwecks der Urheberrechtsschranke des TDM – nämlich die Förderung der Entwicklung neuer Anwendungen und Technologien und die Anregung von Innovationen in der Privatwirtschaft – wird so potenziell erheblich erschwert.
Gleichwohl ist das letzte Wort zur Auslegung des Merkmals „Maschinenlesbarkeit“ mit der Entscheidung des LG Hamburg noch nicht gesprochen. Der Kläger hat gegen die Entscheidung des LG Hamburg Berufung eingelegt. Auch ist denkbar, dass andere Gerichte ähnliche Auslegungsfragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Dennoch: Bis zur endgültigen Klärung dieser Rechtsfragen gilt es bei der Anwendung von TDM zum KI-Training behutsam vorzugehen und die Einhaltung der Voraussetzungen der TDM- Schranke im Einzelfall genau zu prüfen.
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