dID-Richtlinie: EU-weite Neuregelungen für digitale Inhalte und Dienstleistungen

Für neue Vorgaben im Bereich Verbraucherschutz, für den Warenhandel sowie die Bereitstellung digitaler Inhalte sind gleich zwei einander ergänzende EU-Richtlinien auf dem Weg, in deutsches Recht umgesetzt zu werden. Die dID-Richtlinie beinhaltet verbraucherschutzrechtliche Regelungen in Bezug auf digitale Inhalte und Dienstleistungen und ist Gegenstand dieses Beitrags. In einem weiteren Artikel folgt anschließend ein Überblick über die zweite, die Warenkaufrichtlinie, die sich mit bestimmten vertragsrechtlichen Aspekten des Warenkaufs beschäftigt. Wir haben für sie die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Ziele und Inhalte der Richtlinien

Die dID-Richtlinie („Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte der Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen“, RL (EU) 2019/770) enthält Bestimmungen für die Schaffung eines neuen Vertragsrechts im Kontext der Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen. Dazu gehören neu gefasste Gewährleistungsrechte, Haftungsregeln und Vorgaben für die Änderungen von Verträgen. Zentral ist außerdem die Einführung einer Updatepflicht für Unternehmen. Die Richtlinie ist im Rahmen der europäischen „Strategie für einen digitalen Binnenmarkt“ verfasst worden, deren Ziel die Harmonisierung der nationalen Märkte zu einem gemeinsamen, EU-weiten digitalen Markt ist. Mit den Neuerungen wird es für Anbieter aufgrund der einheitlichen Regeln künftig leichter sein, digitale Leistungen innerhalb der gesamten EU zu vertreiben.

Neben der dID-Richtlinie ist zeitgleich am 20. Mai 2019 die Warenkaufrichtlinie oder WKRL („Richtlinie über bestimmte vertragsrechtliche Aspekte des Warenkaufs“, RL (EU) 2019/771) verabschiedet worden. Die beiden Richtlinien regeln unterschiedliche Anwendungsbereiche, sind aber nach Erwägungsgrund 20 dID-RL (bzw. EW 13 WKRL) in einem ergänzenden Verhältnis zueinander zu verstehen und daher voneinander abzugrenzen. Ihre beiden Anwendungsbereiche greifen wie folgt ineinander: Während die Warenkaufrichtlinie Veränderungen für klassische Kaufverträge zwischen Unternehmern und Verbrauchern vornimmt und daher beim Verkauf von Waren, d. h. beweglichen körperlichen Gegenständen, zur Anwendung gelangt, geht es in der dID-Richtlinie um rein digitale Inhalte und Dienstleistungen. Wichtig wird die Abgrenzung der beiden Richtlinien vor allem dann, wenn digitale Elemente mit Waren verbunden oder in ihnen enthalten sind und so zum Verkauf angeboten werden. Solche sollen von der Warenkaufrichtlinie erfasst werden, wenn die Waren ihre Funktionen ohne die digitalen Elemente nicht erfüllen können.

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Digitale Inhalte und Dienstleistungen: Der Anwendungsbereich

Art. 3 Abs. 1 dID-RL bestimmt, dass ihre Vorgaben für alle Verträge gelten, aufgrund derer Verbrauchern digitale Inhalte oder Dienstleistungen gegen einen Preis bereitgestellt werden. Die dID-Richtlinie gilt nach Art. 3 Abs. 3 auch, wenn körperliche Datenträger, die ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dienen, Gegenstand des Vertrags sind. Damit ist der Anwendungsbereich durchaus weit gefasst und beinhaltet beispielsweise das Streaming oder Downloaden von Online-Videos, Filmen, E-Books, Spielen oder Musik, Cloud- und SaaS-Dienste oder auch die Bereitstellung über DVDs oder USB-Sticks.

Art. 3 Abs. 4 und 5 dID-RL nennen Fälle, in denen die Richtlinie hingegen keine Anwendung finden soll. Absatz 4 nennt hier zunächst die bereits angesprochen Waren, die digitale Inhalte oder Dienstleistungen enthalten und in den Regelungsbereich der Warenkaufrichtlinie gehören, etwa beim Kauf einer Speicherkarte oder einer Digitalkamera, die um ihrer selbst Willen und nicht wegen ihrer Software gekauft werden. Von der Richtlinie ausgenommen sind nach Abssatz 5 beispielsweise Verträge über Gesundheitsdienstleistungen, die von einem Arzt gegenüber einem Patienten zur Behandlung erbracht werden, einschließlich der Verschreibung, Abgabe und Bereitstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (vgl. Art. 3 Abs. 5 dID-RL, Art. 3 RL 2011/24/EU). Andere Beispiele für Ausnahmen dieses Absatzes sind Verträge über Glücksspiele im Rahmen von Lotteriespielen, Kasinospielen, Pokerspielen und Wetten, des weiteren Verträge über Bankdienstleistungen, Kreditgewährungen, Versicherungen und Geldanlagen. Ein weiterer typischer Anwendungsfall des Absatzes 5 betrifft Open-Source-Software.

Erwägungsgrund 27 schließt außerdem Beratungsdienstleistungen wie die von Architekten, Juristen oder Übersetzern vom Anwendungsbereich der Richtlinie aus. Allgemein sind jene Dienstleistungen ausgenommen, die persönlich erbracht und bei denen digitale Hilfsmittel nur unterstützend eingesetzt werden, beispielsweise um das Ergebnis der Dienstleistung nur zu übermitteln. Ein neuer Vertragstyp für digitale Inhalte und Dienstleistungen wird mit der Richtlinie indes nicht eingeführt. Die Richtlinie lässt es den Mitgliedstaaten offen, ob sie die jeweiligen Verträge einem bestehenden Vertragstyp zuordnen, einen neuen schaffen oder diese Frage offenlassen und ebenfalls wie die Richtlinie nur auf den Vertragsgegenstand verweisen.

Das Entgelt als Voraussetzung

Dass die digitale Leistung für einen bestimmten Preis erworben werden muss, bestimmt Art. 3 Abs. 1 dID-RL:

„Diese Richtlinie gilt für alle Verträge, auf deren Grundlage der Unternehmer dem Verbraucher digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt und der Verbraucher einen Preis zahlt oder dessen Zahlung zusagt.“

Ein zweiter Absatz bestimmt nun weiter, dass die Richtlinie auch gilt, wenn

„der Verbraucher dem Unternehmer personenbezogene Daten bereitstellt oder deren Bereitstellung zusagt, außer in Fällen, in denen die vom Verbraucher bereitgestellten personenbezogenen Daten durch den Unternehmer ausschließlich zur Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen im Einklang mit dieser Richtlinie oder zur Erfüllung von vom Unternehmer einzuhaltenden rechtlichen Anforderungen verarbeitet werden und der Unternehmer diese Daten zu keinen anderen Zwecken verarbeitet.“

Soweit also die bereitgestellten personenbezogenen Daten über solche hinausgehen, die nur für die Abwicklung des Vertrags oder rechtlicher Verpflichtungen notwendig sind, gelten auch sie statt einer monetären Gegenleistung als Preis für die digitale Leistung im Sinne der dID-Richtlinie. Der Begriff der personenbezogenen Daten entstammt Art. 4 Nr. 1 DSGVO und meint alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Damit können auch Dienste sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter von der Richtlinie erfasst werden. Zudem ist in Erwägungsgrund 37 dID-Richtlinie noch einmal klargestellt, dass alle Datenverarbeitungen auch in diesem Zusammenhang nur im Einklang mit den Bestimmungen der DSGVO erfolgen dürfen, um ein ausreichendes Datenschutzniveau sicherzustellen.


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Verbraucherschutz in der dID-Richtlinie

Die EU-weite Harmonisierung und Stärkung des Verbraucherschutzes bei digitalen Leistungen sind zentrale Ziele der dID-Richtlinie und werden insbesondere durch einen Anforderungskatalog hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Leistungen, zu denen auch eine Updatepflicht gehört, und eine Beweislastumkehr zugunsten der Verbraucher verwirklicht.

Subjektive und objektive Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit

In den Art. 7 und 8 dID-Richtlinie sind subjektive und objektive Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit aufgezählt. Diese Vorgaben müssen erfüllt werden, damit die Bereitstellung der Inhalte und Dienstleistungen nicht vertragswidrig ist. Sie richten sich nach der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit und nach dem vorausgesetzten Zweck. Dementsprechend muss nach den subjektiven Anforderungen des Art. 7 dID-RL die Leistung

  1. die vereinbarten Merkmale hinsichtlich der Beschreibung, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität etc. aufweisen,
  2. sich für den vom Verbraucher bis Vertragsschluss mitgeteilten angestrebten Zweck eignen,
  3. mit Anleitungen, Zubehör und Kundendienst bereitgestellt werden sowie
  4. wie im Vertrag bestimmt aktualisiert werden.

Zu diesen Voraussetzungen kommen die objektiven Anforderungen nach Art. 8 dID-RL hinzu, die unabhängig vom vereinbarten Vertragsinhalt bestehen. Um diese zu erfüllen, ist unter anderem notwendig, dass die digitalen Inhalte und Dienstleistungen:

  1. sich für die Zwecke eignen, für die solche Leistungen in der Regel verwendet werden; unter Berücksichtigung rechtlicher und technischer Normen,
  2. der Quantität, den Eigenschaften und Leistungsmerkmalen entsprechen, die bei ähnlichen Leistungen üblich sind,
  3. mit Zubehör und Anleitungen bereitgestellt werden, die der Verbraucher vernünftigerweise erwarten kann sowie
  4. einer vorab zur Verfügung gestellten Testversion oder Voranzeige entsprechen.

Die Updatepflicht

Zu den objektiven Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit gehört auch die mit Art. 8 Abs. 2 dID-Richtlinie eingeführte Aktualisierungspflicht für Anbieter, die ebenfalls in der Warenkaufrichtlinie vorgesehen ist. Sie verpflichtet die Anbieter digitaler Leistungen, Verbraucher „über Aktualisierungen, einschließlich Sicherheitsaktualisierungen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der digitalen Inhalte und digitalen Dienstleistungen erforderlich sind“, zu informieren und diese bereitzustellen. Der Zeitraum der Updatepflicht soll so lange andauern, wie ein Verbraucher es vernünftigerweise erwarten würde. Zumindest einen Orientierungspunkt bietet dabei die Dauer der Gewährleistungspflicht des Unternehmers (Erwägungsgrund 47 dID-RL). Die Updatepflicht gilt für solche Aktualisierungen, die dafür sorgen, die Inhalte und Dienstleistungen im Vertragszustand zu erhalten und die notwendige Sicherheit zu gewährleisten. Es handelt sich daher um keine Pflicht zur Verbesserung oder Weiterentwicklung.

Persönlicher Anwendungsbereich und Beweislastumkehr

Die Richtlinie verpflichtet in erster Linie den Unternehmer, d. h. denjenigen, der in Bezug auf die erfassten Verträge zu Zwecken einer gewerblichen, geschäftlichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit handelt (vgl. Art. 2 Nr. 5 dID-RL). In diesem Sinne geht es also um den Verkäufer, der dementsprechend nach Art. 11 dID-RL für ein Ausbleiben der Leistung oder eine nicht vertragsgemäße Bereitstellung haftet. Er trägt zudem für die Vertragsgemäßheit der digitalen Inhalte oder Dienstleistungen gemäß Art. 12 Abs. 1 dID-RL die Beweislast. Wenn es sich um einen einseitigen Leistungsaustausch handelt, gilt diese Regelung bis zu ein Jahr nach der Bereitstellung der Leistung; bei Verträgen über fortlaufende Bereitstellungen über die gesamte Vertragslaufzeit. Das deutsche Recht kannte eine vergleichbare Regelung bislang nur für den Fall des Sachmangels beim Verbrauchsgüterkauf nach § 477 BGB, die zudem nur für ein halbes Jahr Geltung hat. Dieser Zeitraum müsste also erweitert und auf alle Verträge über digitale Inhalte und Dienstleistungen angewendet werden.

Für die vielen Fälle, in denen mehrere Akteure wie Verkäufer, Hersteller oder Lieferanten innerhalb einer Lieferkette beteiligt sind, stellt für Ersteren Art. 20 dID-RL eine Regressmöglichkeit zur Verfügung, wenn jemand anderes als der Verkäufer für das Ausbleiben oder die Fehlerhaftigkeit der Leistung verantwortlich ist. Welche Person in Regress genommen werden kann, bestimmt sich nach nationalem Recht und kann daher unterschiedlich zu beantworten sein. Für Deutschland wäre nach der Vorschrift des § 445a BGB demnach ein Rückgriff auf den jeweils nächsten Verkäufer möglich, sofern dieser ein Unternehmer ist – das jedoch unter Einschluss weiterer Regelungen wie der Untersuchungspflicht des Unternehmers nach § 377 HGB.

Ausblick und Fazit

Die beiden Richtlinien sehen für die Mitgliedstaaten eine Frist bis zum 1. Juli 2021 vor, ihre Bestimmungen in nationale Vorschriften umzusetzen, die ab dem 1. Januar 2022 anzuwenden sind. Auch, wenn noch nicht feststeht, auf welche Weise die Umsetzung erfolgen wird, sollten Anbieter sich möglichst frühzeitig mit der Richtlinie auseinandersetzen. Denn sie birgt aufgrund zahlreicher und detaillierter Neuregelungen einen erhöhten Erfüllungsaufwand für die betroffenen Unternehmen. Das gilt nicht zuletzt für die Gewährleistungsrechte, die dem Verbraucher mit der Richtlinie an die Hand gegeben werden und zu denen ähnlich dem deutschen Kaufrecht solche auf Herstellung des vertragsgemäßen Zustands, Minderung oder Vertragsbeendigung gehören. Zudem drohen ohne eine rechtzeitige Umsetzung Abmahnungen von Verbraucherschutzverbänden, die nach § 2 Unterlassungsklagengesetz bei AGB und Verbraucherschutzvorschriften auch ohne eigene Rechtsverletzung Unternehmen abmahnen können. Inhaltlich sind die Bestimmungen der Richtlinie aber durchaus zu begrüßen, um das Verbraucherschutzrecht angemessen auch auf digitale Inhalte und Dienstleistungen auszuweiten. Insbesondere die umfangreichen objektiven Voraussetzungen zur Vertragsmäßigkeit und die rechtliche Regelung zu Software-Aktualisierungen, dürften in der Praxis zu einer weitreichenden Stärkung in diesem Bereich führen.

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