Die Datenschutzgrundverordnung – Was wird aus dem Adresshandel?

Adresshändler (Adressbroker) sind darauf spezialisiert werbetreibenden Unternehmen Adressen nach vorgegebenen Kriterien in einer großen Zahl zur Verfügung zu stellen, um ihnen so Direktmarketing zu ermöglichen. Direktmarketing setzt ein direktes Ansprechen der potentiellen Kunden (in diesem Falle vor allem auf dem Postweg) voraus, um Produkte direkt Kunden anpreisen zu können und somit die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Kaufabschlusses zu erhöhen. Durch die geschickte Bestimmung von Auswahlkriterien (z.B. Alter, Wohnort oder Haushaltsgröße) sollen dabei bestenfalls nur solche Personen angesprochen werden, die zur Zielgruppe der Vertriebsstrategie gehören. Das noch bis Mai 2018 geltende Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthält einige Regelungen zur Zulässigkeit des Adresshandels. Fraglich ist jedoch wie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die ab Mai 2018 zur Anwendung kommt, den Adresshandel zukünftig regelt. Da diese Europäische Verordnung unmittelbar in den Mitgliedstaaten gilt, wird es kein nationales Umsetzungsgesetz geben. Zwar wird das BDSG in einer neuen Fassung weiter existieren, dabei handelt es sich jedoch nur um ein Anpassungs- bzw. Durchführungsgesetz, in dem der nationale Gesetzgeber die durch die Verordnung gewährten Spielräume nutzt und bestimmte Konkretisierungen vornimmt. Die entscheidenden Weichenstellungen für die Zukunft des Adresshandels werden jedoch in der DSGVO gesetzt. Bereits jetzt können und sollten Adresshändler daher die ab 2018 geltenden Veränderungen berücksichtigen und die Anpassung ihrer Praxis entsprechend vorzubereiten.

Wie ist die Rechtslage bisher ausgestaltet?

Bisher galt im Bundesdatenschutzgesetz ein umfassendes Verbot mit Erlaubnisvorbehalt bezüglich der Nutzung personenbezogener Daten, das grundsätzlich auch den Adresshandel einschließt, d.h. die Nutzung der Daten ist grundsätzlich verboten, es sei denn es liegt eine ausdrückliche gesetzliche Erlaubnis oder eine Einwilligung der betroffenen Person vor.

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Welche Voraussetzungen bestehen bezüglich der Einwilligung nach dem BDSG?

Am einfachsten kann die Zulässigkeit des Adresshandels nach bisherigem Recht erreicht werden, wenn eine Einwilligung des Betroffenen vorliegt. In § 28 Abs.3 BDSG stellt der Gesetzgeber diesen Umstand ausdrücklich für die Fälle der Werbung klar: „Die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung ist zulässig, soweit der Betroffene eingewilligt hat“. Die Einwilligung muss dabei grundsätzlich schriftlich erfolgen, wobei für bestimmte Situationen gewisse Erleichterungen vorgesehen sind. Telefonisch erklärte Einwilligungen sind beispielsweise möglich, sofern sie sodann vom Empfänger der Einwilligung schriftlich bestätigt werden. Online erklärte Einwilligungen sind ebenfalls wirksam, sofern sie protokolliert werden und der Einwilligende die Möglichkeit hat den Einwilligungstext jederzeit abzurufen, um so nachvollziehen zu können, was er diesbezüglich erklärt hat. In der Praxis werden Einwilligungen zum Zweck des Adresshandels jedoch nur in den seltensten Fällen vorliegen.

Wann liegt eine gesetzliche Erlaubnis nach dem Bundesdatenschutzgesetz vor?

Für den Adresshandel sehen §§ 28 Abs. 3, 29 BDSG spezifische Regelungen vor. So ist die Erhebung und Speicherung von Adressdaten für den Adresshandel gemäß § 29 Abs.1 Nr.1 BDSG bereits grundsätzlich dann zulässig, wenn kein Grund zu der Annahme besteht, dass die berechtigten Interessen des Betroffenen denjenigen des Adresshändlers überwiegen. Ein Überwiegen der Interessen wird stets anzunehmen sein, wenn es sich um Adressdaten zu Minderjährigen handelt oder die Adressdaten gemeinsam mit Attributen gehandelt werden, die auf besondere Arten personenbezogener Daten gem. § 3 Abs. 9 BDSG (z. B. Gesundheitsdaten oder Angaben über religiöse Überzeugungen) verweisen. Für die Weitergabe, also den Verkauf der Daten durch den Adresshändler gilt § 28 Abs. 2 BDSG. Die Vorschrift verweist auf § 28 Abs. 3 BDSG, der das sog. Listendatenprivileg enthält. Danach ist für bestimmte Datenkategorien und in gewissem Rahmen die Verarbeitung zu Werbezwecken auch ohne Einwilligung möglich. Im Hinblick auf die neuere EuGH-Rechtsprechung stehen die Konkretisierungen in § 28 Abs. 3 und § 29 Abs. 2 BDSG jedoch unter dem Verdacht der Europarechtswidrigkeit. Die dem BDSG zugrundeliegende Datenschutzrichtlinie sieht vor, dass die Interessenabwägung grundsätzlich eine ausreichende Grundlage für die Rechtfertigung einer Datenverarbeitung sein kann. Weitere, strengere Kriterien dürfen nach Aussage des EuGH nicht durch die Nationalstaaten vorgesehen werden, sofern diese nicht bereits in der Richtlinie angelegt sind. Letzteres ist z.B. für die besonderen Arten personenbezogener Daten der Fall, nicht jedoch für Verarbeitungen zum Zweck der werblichen Nutzung. Der Adresshandel hat somit tendenziell eine schleichende Liberalisierung erfahren.

Enthält die Datenschutzgrundverordnung eine Regelung für den Adresshandel?

Die DSGVO enthält keine ausdrückliche Regelung zum Adresshandel. Die Zulässigkeit der Nutzung personenbezogener Daten zum Zwecke des Adresshandels richtet sich in der DSGVO mangels spezieller Regelungen demnach nach den allgemeinen Vorschriften.

Ist der Adresshandel nach der Datenschutzgrundverordnung dennoch zulässig?

Auch nach der DSGVO bedarf die Datennutzung im Rahmen des Adresshandels grundsätzlich eines Erlaubnistatbestandes. Das Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt bleibt bestehen. Art. 6 DSGVO zählt die Erlaubnistatbestände auf, die eine Datenverarbeitung rechtfertigen können. Der Zweck des Adresshandels lässt sich dabei v.a. auf Art. 6 Abs. 1 a DSGVO (Einwilligung der betroffenen Person) und Abs.1 f. (Interessenabwägung) stützen, wobei eine Einwilligung bezüglich des Adresshandels nur äußerst selten vorliegen wird. Der Interessenabwägung und der Widerspruchsmöglichkeit der betroffenen Person kommt zukünftig jedoch eine größere Bedeutung zu als im Rahmen des BDSG.

Welche Besonderheiten gelten bei der Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs.1f DSGVO bezüglich des Adresshandels?

Art.6 Abs.1 f DSGVO lautet:

„(…) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.“

Für die vorliegende Konstellation sind zudem Aussagen relevant, die in den Erwägungsgründen formuliert und insofern im Rahmen der Auslegung der DSGVO heranzuziehen sind. In Erwägungsgrund Nr. 47 wird anerkannt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung als ein „berechtigtes Interesse“ betrachtet werden kann. Damit wird zwar nicht jede Form der Datenverarbeitung zum Zweck des Adresshandels pauschal legalisiert, es besteht jedoch eine nicht unerhebliche Tendenz, wonach die Interessenabwägung im Fall des Direktmarketings grundsätzlich zugunsten des Adressverwenders ausgehen könnte. Erwägungsgrund 47 erklärt außerdem, dass bei Weitergabe von personenbezogenen Daten an Dritte auch deren berechtigtes Interesse in der Interessenabwägung gemäß Art. 6 Abs.1 f. DSGVO maßgeblich sein kann. Für den Adresshandel gilt damit, dass die Weitergabe von personenbezogenen Daten durch Adressbroker an Unternehmen, die gezielte Direktwerbung mit den erhobenen Daten betreiben wollen, grundsätzlich von einem berechtigten Interesse abgedeckt sein dürfte.
Dieses Interesse des Adressbrokers und / oder des Werbetreibenden ist nun noch mit den Interessen, Grundrechten und Grundfreiheiten der betroffenen Person abzuwägen. Zwar enthält die DSGVO keine ausdrücklichen Erleichterungen für den Adresshandel, jedoch sind die öffentlichen Zugänglichkeit der Daten oder deren listenmäßige Erfassung zukünftig Kriterien, die in der Abwägung zugunsten des werbenden Unternehmens berücksichtigt werden können. Im Hinblick auf die Interessen der Betroffenen stellt Erwägungsgrund 47 klar, dass „die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen“ sind. Die Formulierung der „vernünftigen Erwartungen“ (engl. „reasonable expectations“) scheint deutlich an den US-Amerikanischen Rechtsraum und die „reasonable expectations doctrine“ im US-amerikanischen Datenschutzrecht angelehnt zu sein. Aus dieser folgt vor allem eine weite Auslegung der „berechtigten Interessen“, denn jede Datenverarbeitung, die von der betroffenen Person vernünftigerweise erwartet werden darf, ist damit grundsätzlich zulässig. Diese weite Auslegung darf hier zwar nicht ohne weiteres übertragen werden, sie kann jedoch als Anzeichen einer grundlegenden Richtungsentscheidung verstanden werden. Sofern die Datenverarbeitung transparent und fair ausgestaltet ist, der Betroffene über deren Zwecke und über seine Rechte informiert wird und so schlussendlich gewährleistet ist, dass der Einzelne der Datenverarbeitung und der Weitergabe seiner Adressen nicht gänzlich ausgeliefert ist, kann auch Adresshandel weiterhin rechtskonform realisiert werden. Über diese Aspekte und insbesondere das dem Einzelnen zustehende, jederzeitige Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO) muss der Betroffene sorgfältig informiert werden, sobald sich hierfür Gelegenheit bietet. Im Adresshandel wird dies überwiegend bei der direkten Ansprache durch den Werbetreibenden (und nicht bereits bei der Weitergabe der Adresse) möglich sein.

Ändert sich dann für Unternehmen überhaupt etwas?

Allgemein sind die Informationspflichten nach der DSGVO gegenüber der betroffenen Person im Vergleich zum BDSG deutlich gestiegen, zudem gelten im Vergleich zum BDSG deutlich strengere Anforderungen bezüglich der Art und Weise der Information. So regeln Art. 13, Art. 14 DSGVO, dass der betroffenen Person v.a. die Kontaktdaten des Verantwortlichen der verarbeitenden Stelle, der Zweck und die Dauer der Datenverarbeitung sowie Auskunfts- und Widerspruchsrechte mitgeteilt werden müssen. Die verarbeitende Stelle ist hier primär der Adressbroker, die Verpflichtung kann jedoch auch das werbende Unternehmen treffen, da es die erworbenen Daten zu Werbezwecken verwendet. Dabei verlangt Art. 12 DSGVO, dass diese Informationen der betroffenen Person in „transparenter, verständlicher und leicht zugänglicher Form in einer klaren und einfachen Sprache“ vorgelegt werden. Neben den o.g. Anforderungen des Art. 13 DSGVO hat die verarbeitende Stelle im Falle des Art. 6 Abs.1 f DSGVO zudem die berechtigten Interessen mitzuteilen, auf die die Datenverarbeitung gestützt wird, im Falle des Adresshandels sind daher die Werbeinteressen explizit zu erklären. Zudem ist die Interessenabwägung genau zu dokumentieren um entsprechende Nachweise erbringen zu können. Verstöße gegen die Abwägungs- und Dokumentationspflichten sind nach der DSGVO mit hohen Bußgeldern bewehrt.

Fazit und Handlungsempfehlung

Der Adresshandel bleibt auch nach der DSGVO zulässig. Insbesondere die explizite Erwähnung der Direktwerbung als berechtigtes Interesse in den Erwägungsgründen der Verordnung ermöglicht eine Interessenabwägung zugunsten der betroffenen Unternehmen. Deutlich strenger fallen aber die Informations- und Dokumentationspflichten aus, die dringend zu beachten sind.

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