E-Mail-Marketing ohne Einwilligung – was ist erlaubt?
Es ist leicht passiert: Mal eben im Online-Shop ein hübsches Paar Kinderschuhe entdeckt, in den Warenkorb gelegt und nach ein paar Angaben von Anschrift bis E-Mail-Adresse ist die Bestellung abgeschickt. Doch nach ein, zwei Tagen sind nicht nur die Kinderschuhe angekommen, sondern einige Werbe-E-Mails für passende Einlegesohlen, Kinderjacken und Erwachsenenschuhe gleich mit. Ist die Zusendung dieser E-Mails erlaubt?
Dass die werbliche Kund:innenansprache per E-Mail auf Grundlage einer zuvor eingeholten ausdrücklichen Einwilligung möglich ist, ist mittlerweile weithin bekannt. Und doch wissen viele Unternehmen und Verbraucher:innen nicht genau, was in diesem Bereich erlaubt und was unzulässig ist. Den Rechtsrahmen bilden hier vor allem das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das sich hauptsächlich auf die werblichen Aspekte bezieht, und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), welche das Datenschutzrecht im Blick hat.
Grundsatz: Keine Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung
Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG stellt E-Mail-Werbung ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung grundsätzlich eine unzumutbare Belästigung der Empfänger:innen dar. Dies gilt unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Privatperson oder ein Unternehmen handelt.
Grundsätzlich gilt daher: Keine Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung. Da der/die Werbende die Beweislast für die erfolgte Einwilligung trägt, reicht die bloße Eintragung der E-Mail-Adresse auf der Homepage des Versenders/der Versenderin („Single-Opt-In“) nach Auffassung des Bundesgerichtshofes (BGH) jedoch nicht aus (BGH, Urt. vom 10. 2. 2011 – I ZR 164/09). Denn hierdurch kann Missbrauch durch Unbefugte nicht ausgeschlossen werden. In der Praxis hat sich deswegen die Bestätigung durch die/den Einwilligende/n im Wege des sogenannten Double-Opt-In-Verfahrens etabliert. Dabei wird dem Einwilligenden nach Übermittlung eine E-Mail zugeschickt, in der die Einwilligung durch das Anklicken eines Links bestätigt wird.
Achtung: Auch Kundenzufriedenheitsbefragungen oder in der Signaturzeile der E-Mail enthaltene Produktempfehlungen stellen Werbung dar. Das gilt nach Ansicht des BGH auch dann, wenn die Feedbackanfrage oder Produktempfehlung im Zusammenhang mit erforderlicher Kundenkommunikation erfolgt, wie beispielsweise dem Rechnungsversand oder einer Bestätigungsmail (BGH, Urt. v. 10.7.2018 – VI ZR 225/17).
Das Einwilligungserfordernis gilt übrigens auch, wenn in der Inbox eines E-Mail-Postfachs Werbeanzeigen eingeblendet werden, die der Form einer tatsächlichen E-Mail ähnlich sind. Nachdem der BGH ihm diese Frage zur Entscheidung vorlegte, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass es sich auch hierbei um elektronische Post – so der entsprechende Rechtsbegriff in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG – handelt (EuGH, Urt. v. 25.11.2021 C-102/20).
Ausnahme: Bestandskundenwerbung per E-Mail
Allerdings sieht das Gesetz auch eine Ausnahme von diesem Grundsatz vor. § 7 Abs. 3 UWG erlaubt Unternehmer:innen, unter bestimmten Voraussetzungen E-Mail-Werbung ohne ausdrückliche Einwilligung zu versenden, wenn es sich bei den Empfänger:innen der E-Mail um Bestandskund:innen handelt. Grundgedanke ist der, dass jemand, mit dem eine Geschäftsbeziehung besteht, mutmaßlich Interesse an weiteren ähnlichen Produkten und Dienstleistungen hat und auch darüber informiert werden möchte.
Dafür müssen folgende Voraussetzungen nebeneinander vorliegen:
(1) Der Unternehmer/die Unternehmerin muss die E-Mail-Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung vom Kunden erhalten haben,
(2) der Unternehmer/die Unternehmerin verwendet die E-Mail-Adresse ausschließlich zur Werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen,
(3) der Kunde/die Kundin darf der Verwendung vorab nicht widersprochen haben und
(4) der Kunde/die Kundin muss bei Erhebung der E-Mail-Adresse und bei jeder Verwendung klar und deutlich darauf hingewiesen werden, dass er der Verwendung jederzeit kostenlos widersprechen kann.
Im Einzelnen:
(1) Im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung
Auch wenn dies aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht ausdrücklich hervorgeht, knüpft das Gesetz daran an, dass zwischen dem Unternehmer/der Unternehmerin und dem Empfänger/der Empfängerin der E-Mail bereits eine vertragliche Beziehung bestehen muss. Eine nur vorvertragliche Geschäftsbeziehung, insbesondere die bloße Vertragsanbahnung, reicht nicht aus. Wenn eine Person also lediglich um Zusendung von Produktinformationen gebeten oder die Ware lediglich in den Warenkorb gelegt hat, ohne die Bestellung abzuschließen, liegt noch keine bestehende Geschäftsbeziehung vor. Auch die bloße Anlage eines Kund:innenkontos ist für § 7 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht ausreichend.
Der Unternehmer/die Unternehmerin muss die Adresse des Kunden/der Kundin direkt von ihm bzw. ihr selbst erlangt haben. Es reicht nicht aus, wenn der Unternehmer/die Unternehmerin sich die Adresse aus anderen Quellen beschafft oder diese von Dritten erhalten hat.
(2) Werbung nur für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungen
Die größte Herausforderung für Unternehmen stellt in der Regel die zweite Voraussetzung des § 7 Abs. 3 UWG dar. Es dürfen nur eigene Waren und Dienstleistungen beworben werden, die dem bereits erworbenen Produkt ähnlich sind. Die Rechtsprechung ist bei der Beurteilung, was als ähnliches Produkt anzusehen ist, sehr streng. Zum Teil wird eine „Austauschbarkeit“ der Produkte gefordert oder dass die Produkte dem „gleichen oder zumindest einem ähnlichen Bedarf oder Verwendungszweck“ dienen. Zulässig wäre danach etwa, einem Kunden/einer Kundin, der/die französischen Rotwein bestellt hat, künftig auch Werbung für Rotwein aus Neuseeland per E-Mail zu übersenden. Wer einen Hotelaufenthalt im Spreewald per E-Mail gebucht hat, dem dürfte auch eine Werbung für einen solchen in der Pfalz geschickt werden.
Achtung: Werbung für das gesamte Sortiment ist dagegen von § 7 Abs 3 Nr. 2 UWG nicht umfasst. Ferner ist von dieser Norm auch nicht die Versendung eines in dem Onlineshop des Absenders einlösbaren Gutscheins für das gesamte breite Warensortiment gedeckt.
Und wie verhält es sich bei Zubehör- und Ergänzungsangeboten?
Grundsätzlich erscheint es vertretbar, unter der Ausnahme für Bestandskund:innen auch Werbung für funktionell zusammengehörige Waren wie Zubehör- und Ergänzungswaren zuzulassen. Wer beispielsweise einen Drucker gekauft hat, wird in der Regel auch am Erwerb von Toner oder Tinte interessiert sein. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien „Austauschbarkeit der Produkte“ oder „Dienen der Produkte zum gleichen oder zumindest ähnlichen Bedarf oder Verwendungszweck“ dürfte in diesem Fall unproblematisch von einer Ähnlichkeit der Produkte auszugehen sein. Nicht mehr zulässig sein dürfte hingegen die Werbung für andere Elektronikartikel wie etwa Handys.
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(3) Kein Widerspruch des Kunden
Der Kunde/die Kundin darf der Verwendung seiner E-Mail-Adresse zum Empfang von Werbung nicht widersprochen haben. Dieser Widerspruch kann über alle Kommunikationsmittel oder sogar mündlich erfolgen. Daher kann nach derzeitiger Rechtsprechung auch nicht von Kund:innen verlangt werden, dass sie neben einem Widerspruch in Textform auch Einstellungen in einem Kund:innenverwaltungssystem ändert (AG München, Urt. v. 05.08.2022 – 142 C 1633/22). Widersprüche sind zu protokollieren und bei zukünftigen Werbe-E-Mails zu berücksichtigen.
(4) Klarer und deutlicher Hinweis auf das Widerspruchsrecht
Besonders wichtig ist die vierte Voraussetzung. Das werbende Unternehmen muss den Kund:innen sowohl bei der Erhebung als auch bei jeder Verwendung der E-Mail-Adresse klar und deutlich darauf hinweisen, dass er der Verwendung jederzeit kostenlos widersprechen kann. Jedenfalls dürfen die Kosten für die Übermittlung des Widerspruchs die des Basistarifs nicht übersteigen. Zu diesem Zweck müssen Unternehmen den Kund:innen jeweils eine entsprechende Kontaktadresse benennen. Der Widerruf selbst sollte dabei direkt aus der E-Mail heraus möglich sein. Dies lässt sich am einfachsten über einen Abmeldelink umsetzen, der ohne weitere Zwischenschritte ein Blacklisting der betreffenden E-Mail-Adresse bewirkt.
Achtung: Zu beachten ist, dass Bestandskund:innennwerbung genauso wie sonstige werbliche E-Mails auch inhaltlich rechtskonform ausgestaltet sein muss. Insbesondere muss die Identität des Absenders/der Absenderin auf Anhieb klar erkennbar sein (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG). Außerdem muss der Betreff der E-Mail den Inhalt der Nachricht richtig wiedergeben und erkennen lassen, dass es sich um eine werbliche E-Mail handelt. Schließlich gilt auch hier die Impressumspflicht.
Was gilt es in Sachen DSGVO zu beachten?
Die DSGVO enthält zwar keine Regelung, die explizit auf das wettbewerbsrechtliche Bestandskund:innenprivileg Bezug nimmt, jedoch kommen hier die berechtigten Interessen des werbenden Unternehmens gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO als rechtfertigende Grundlage in Betracht. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. f DSGVO muss die Verarbeitung zur Wahrung der berechtigten Interessen des werbenden Unternehmens erforderlich sein und die Interessen der betroffenen Personen dürfen nicht überwiegen.
Auch wenn die DSGVO hierzu keine Detailregelungen trifft, stellt Erwägungsgrund 47 der DSGVO jedenfalls klar, dass die Datenverarbeitung zum Zwecke der Direktwerbung als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden kann. Auf Seiten der Interessen der betroffenen Personen ist u.a. entscheidend, was diese im Einzelfall subjektiv erwarten, aber auch, was objektiv vernünftigerweise erwartet werden kann und darf. Unternehmen sollten ihre Kund:innen über Bestandskund:innenwerbung daher frühzeitig und transparent im Rahmen der Datenschutzhinweise informieren. Die Datenschutzbehörden berücksichtigen im Rahmen der Interessenabwägung zudem die Wertungen des UWG. Überwiegende schutzwürdige Interessen der Empfänger:innen sind demnach in der Regel nicht gegeben, wenn das werbende Unternehmen auch die in § 7 Abs. 3 UWG enthaltenen Vorgaben für E-Mail-Werbung einhält. Andererseits dürften schutzwürdige Interessen der Empfänger regelmäßig überwiegen, wenn die in § 7 Abs. 3 UWG genannten Voraussetzungen nicht vorliegen.
Mit welchen Konsequenzen müssen Unternehmen bei Verstößen rechnen?
Handelt es sich bei dem Empfänger/der Empfängerin der unverlangt zugesandten werblichen E-Mail um einen Verbraucher/einer Verbraucherin, kann dieser/diese sich grundsätzlich auf einen Eingriff in sein/ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht berufen. Ist Empfänger/die Empfängerin der E-Mail ein Unternehmen, kann ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegen. Das werbende Unternehmen muss daher mit der Geltendmachung von zivilrechtlichen Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen durch betroffene Empfänger:innen rechnen (§§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog). Verstöße gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften wie § 7 UWG können zudem von Konkurrent:innen sowie Wirtschafts- und Verbraucherverbänden abgemahnt werden. Läuft eine berechtigte Abmahnung über einen Rechtsanwalt/eine Rechtsanwältin, so ist das werbende Unternehmen zur Erstattung der notwendigen Rechtsanwaltskosten verpflichtet. Außerdem drohen wegen einer rechtswidrigen Datenverarbeitung Maßnahmen der Aufsichtsbehörden, wie die Verhängung von Bußgeldern. Zudem können Datenschutzverstöße immaterielle Schadensersatzansprüche der betroffenen Personen auslösen.
Empfehlungen für die Praxis
Um Schäden abzuwenden, sollten Unternehmen Ihre Prozesse sorgfältig und im Einklang mit den genannten Voraussetzungen ausgestalten und regelmäßig überprüfen. Möchte sich ein Unternehmen auf die Ausnahmeregelung des § 7 Abs. 3 UWG berufen, ist darauf zu achten, dass die betreffenden Kund:innen bereits bei Erhebung ihrer E-Mail-Adresse auf die Direktwerbung sowie die Widerspruchsmöglichkeit hingewiesen werden. Dazu bietet sich ein sichtbarer Hinweis direkt unter dem Feld zur Angabe der E-Mail-Adresse an. Bevor den Kund:innen Produktempfehlungen per E-Mail übermittelt werden, muss jeweils geprüft werden, ob kein Widerspruch eingelegt worden ist. Erhöhte Vorsicht ist hinsichtlich der Auswahl der beworbenen Produkte geboten. Es muss sichergestellt werden, dass ausschließlich für ähnliche Produkte und Dienstleistungen des Versendenden geworben wird. Schlussendlich ist jeweils ein leicht erkennbarer Hinweis auf das jederzeit bestehende Widerrufsrecht in die E-Mails aufzunehmen. Achtung: Erfahrungsgemäß scheitert die Zulässigkeit der Bestandskundenwerbung am häufigsten wegen dem fehlenden Hinweis bei der Datenerhebung.
Und wie verhält es sich nun mit den Umfragen und sonstigen Werbemails für die Einlegesohlen, Kinderjacken und Erwachsenenschuhe?
Sofern der Kunde/die Kundin sowohl bei der Erhebung seiner/ihrer E-Mail-Adresse als auch in jeder der Werbemails auf das Widerspruchsrecht hingewiesen wurde, ist die Werbung für ähnliche und passende Produkte wie die Einlegesohlen zulässig. Zweifelhaft ist dies bereits bei den Kinderjacken. Die Werbung für Erwachsenenkleidung ist in jedem Fall unzulässig. Unternehmen, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten sich daher auf eindeutig ähnliche Produkte beschränken, um erfolgreich Bestandskund:innenwerbung zu betreiben.
Zusatz: Feedbackanfragen als zulässige Bestandskund:innenwerbung?
Da Kund:innenzufriedenheitsbefragungen nach Ansicht des BGH generell als Werbung zu werten sind, stellt sich zwangsläufig die Frage, ob solche Anfragen auf Grundlage des § 7 Abs. 3 UWG versendet werden dürfen. Regelmäßig dürfte es sich bei Feedbackanfragen um allgemeine Image-Werbung für ein Unternehmen und nicht um Direktwerbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistung handeln. Eine andere Beurteilung kann sich jedoch dann ergeben, wenn eine Bewertungsanfrage unmittelbar im Zusammenhang mit einem zuvor gekauften Produkt übersendet und die Bewertung für eben dieses Produkt angefragt wird, um zukünftige Geschäftsabschlüsse für ähnliche Produkte zu fördern. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien „Austauschbarkeit der Produkte“ oder „Dienen der Produkte zum gleichen oder zumindest ähnlichen Bedarf oder Verwendungszweck“ dürfte auch in diesem Fall von einer Ähnlichkeit der Produkte auszugehen sein. Auch der BGH hat sich in einem jüngeren Urteil (BGH, Urteil vom 10.07.2018 – VI ZR 225/17) zumindest offen für eine solche Auslegung gezeigt, auch wenn er die Frage in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall nicht abschließend beantworten musste. Unternehmen, die jedes Risiko vermeiden möchten, sollten für Kund:innenzufriedenheitsbefragungen generell die Einwilligung der Kundschaft einholen.
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